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Der Posenkrieg

Wie ist es, wenn die eigene Mutter süchtig nach Homeshopping ist? Ein Interview

von KIRSTEN KÜPPERS

taz: Herr H., Ihre Mutter ist leidenschaftliche Teleshopperin. Was bedeutet es, aus einer Teleshoppingfamilie zu kommen?

H.: Die Dinge, die meine Mutter im Teleshop gekauft hat, waren immer legendär: Schön war die Heimsauna. Das war eine runde Plastiktonne, in die man sich reinsetzen konnte. Darüber zog man ein Plastiktuch, wo oben der Kopf rausguckt. Das ganze Gerät konnte man im Wohnzimmer aufbauen und beim Heimsaunen Fernsehen gucken.

Aha. Interessant.

Super war auch der nachfüllbare Renovierpinsel. Statt die Malerrolle in die Farbe einzutauchen, konnte man die Farbe in den Stiel kippen und dann hochpumpen. Nach einem Mal Gebrauchen wäre das Ding natürlich total verklebt gewesen. Aber darum ging es gar nicht. Meine Eltern haben seit zwanzig Jahren ihr Haus nicht selbst renoviert, sie engagierem sowiso immer einen Maler, der das schwarz macht. Der Renovierpinsel aus dem Teleshop war nur eine Aktion mit Signalwirkung, um meinem Vater klar zu machen, dass er mal wieder irgendwo im Haus Hand anlegen sollte.

Teleshopping war also so eine Art Spiel über die Bande von Ihrer Mutter, um Ihrem Vater etwas mitzuteilen?

Ja, bei uns in der Familie war Teleshopping die Verlängerung des Ehekrieges mit anderen Mitteln. Einmal hat meine Mutter einen Skilanglauftrainer aus dem Teleshop bestellt. Ich glaube, Sie hatte sich geärgert, dass mein Vater ein Trimm-dich-Fahrrad kaufen wollte. Sie wollte gerne mit ihm langlaufen gehen, aber das höchste der Sportgefühle, wozu sich mein Vater hätte hinreißen lassen, war das Trimm-dich-Fahrrad. Er hat immer lieber in seinem Institut gesessen als zu verreisen. Also hat sie in einer Art Blitzfeldzug den Langlauftrainer im Fernsehen bestellt und ihn da aufgebaut, wo er sein Trimm-dich-Fahrrad aufstellen wollte.

Und Ihr Vater?

Als er nach Hause kam, hat er einen Wutanfall bekommen und die Kellertür eingehauen. Sie wird heute noch nur dürftig von Schrauben in der Halterung gehalten. Wobei man zu dem Langlauftrainer noch sagen muss, dass meine Mutter den Kauf offiziell damit begründet hat, dass sie im Fernsehen gesagt hätten, wissenschaftliche Studien hätten ergeben, dass dies das Fitnessgerät sei, was man am längsten benutze. Das war natürlich Quatsch. Sie hat das mit den wissenschaftlichen Studien nur gesagt, um meinen Vater zu ärgern, der Physikprofessor ist. Ich habe meine Mutter nie auf dem Ding gesehen, und es hat schon zwei Wochen später angefangen einzustauben.

Wann hat Ihre Mutter denn angefangen, Sachen im Teleshop zu bestellen?

Das hat in den Achtzigerjahren angefangen. Dazu muss man vielleicht kurz erzählen, wie sich meine Mutter und mein Vater kennen gelernt haben. Sie waren beide auf einem Ball und dann hat die Garderobenfrau die Marken vertauscht. Nach dem Ball hat mein Vater dann meine Mutter draußen in eine kleine Seitenstraße geführt, um ihr die Sterne zu zeigen. Jedenfalls hat er gedacht, dass das mit dem Sternezeigen wohl nicht genug ist, um sie herumzubekommen. In der Gasse stand noch ein VW-Käfer. Und während meine Mutter noch verträumt in die Sterne guckte, hat er den VW-Käfer schnell heruntergedrückt, die Stoßdämpfer haben den Wagen dann wieder nach oben schnellen lassen, aber er hat sich davor fix druntergestemmt, den Wagen hochgehoben und gesagt: „In der Schule nennen sie mich übrigens Mucki.“ Meine Mutter hat also Mucki geheiratet, aber von den Muckis in der Ehe nicht mehr viele gesehen.

Und weiter?

Aus Protest hat meine Mutter begonnen, alle Sachen zu bestellen: Wasserflaschen wurden geliefert, Bo-Frost-Tiefkühlkost, Scherenschleifer kamen vorbei, mit dem Eiermann war sie per Du. Schließlich hat sie angefangen, Heimsaunen, Pinsel und Skilanglauftrainer aus dem TV-Shop zu ordern. Insgeheim wollte sie aber, dass mein Vater mit ihr shoppen geht und die Sachen nach Hause schleppt.

Hat Sie diese Vergangenheit geprägt? Sind Sie jetzt auch Teleshopper?

Nein, nein. Aber ich sehe für mein Leben gern diese Teleshoppingsendungen auf „Quantum-Channel“. Es ist so super absurd und gleichzeitig auch so gemütlich. Ich habe mit meinem Mitbewohner früher nächtelang Teleshoppingwerbungen angesehen. Super. Mein Favorit war der Wischmopp, den sie bei der „Great American Homeshow“ angeboten haben.

Erzählen Sie mal!

So ein Bodybuildertyp hat da vor einem Hausfrauenpublikum seinen Mopp angepriesen. Dann hat er Marmelade und Senf auf den Fußboden geschmiert und alle Hausfrauen habe geschrien: „Ohhh my God, this is so disgusting!!“ Dann hat er die Sachen mit dem Mopp aufgewischt und den Mopp über der Dauerwelle einer amerikanischen Tussi ausgewrungen. Wieder schrien alle Hausfrauen: „Oh my God!!! It is so disgusting!“ Aber es kam natürlich nichts raus aus dem Mopp. Und dann haben sich alle wie wild geprügelt, den Mopp von dem tollen Bodybuilder zu kaufen. Toll. Schade, dass meine Mutter den Mopp nie bestellt hat.

Wie wird es bei Ihren Eltern mit dem Teleshopping weitergehen?

Ich glaube, dass meine Mutter inzwischen genug vom Teleshopping hat. Letztens hat sie ein aufblasbares Kanu bestellt. Mit dem ist sie beinahe im Schlachtensee untergegangen mit einer Kollegin, weil es natürlich tausend Löcher hatte. Außerdem gehen meine Eltern bald in Rente. Dann hat mein Vater keine Ausrede mehr, die Sachen nicht selbst zu schleppen oder nicht mit meiner Mutter Kanu fahren zu gehen. Ich glaube, das mit dem Teleshopping legt sich. Aber lustig war es schon und vor allem praktisch.

Inwiefern?

Weil sich meine Eltern immer über den Kram gestritten haben, habe ich zum Schluss alles bekommen. Die Heimsaunaplastiktonne steht jetzt bei mir in der Wohnung, und im Winter setze ich mich da sehr gerne rein zum Fernsehgucken.

KIRSTEN KÜPPERS, 29, lebt als freie Journalistin in Berlin. Auch sie schaut sich gerne Teleshoppingsendungen an. Herr H. möchte aus Schamgefühl anonym bleiben

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