: Der Politikerschreck wirft wieder seinen Schatten
■ Noch ein Problem für Bob Dole: Zeitgleich mit dem Parteitag der Republikaner will sich Ross Perot zum zweiten Mal als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen
Wenn die Republikaner im kalifornischen San Diego tagen, werden sie sich nicht nur mit den Chancen des Duos Dole-Kemp befassen. Sie werden auch hin und wieder sorgenvolle Blicke auf eine andere Ecke Kaliforniens werfen: In Long Beach sind seit gestern die in der „Reform Party“ vereinigten Anhänger von Ross Perot versammelt, der mit einem populistischen Anti-Washington-Programm bei der letzten Wahl 1992 die Republikaner spaltete, selber 18 Prozent der Wählerstimmen errang und damit dem Demokraten Bill Clinton zum Sieg verhalf.
Daß die Republikaner jetzt mit einer Anti-Abtreibungspolitik und dem Versprechen massiver Steuererleichterungen in den Wahlkampf ziehen, verringert zumindest nach Meinung von Perot-Anhängern Doles Chancen, die abtrünnigen Perot-Wähler zurückzugewinnen. Die Reformpartei tritt für ein liberaleres Abtreibungsrecht und einen Haushaltsausgleich vor weiteren Steuersenkungen ein. „Wir haben viele empörte Anrufe von Republikanern gekriegt“, behauptete eine Parteiaktivistin in Chicago, nachdem Dole Anfang letzter Woche sein Wirtschaftsprogramm vorgestellt hatte. „Sie sagen: Natürlich will jeder weniger Steuern, aber wer bezahlt das? Für wie blöd hält der uns eigentlich?“ Außerdem macht sich der Milliardär Perot einen Spaß daraus, Doles Abhängigkeit von Wirtschaftslobbygruppen zu verdammen.
Anders als die Republikaner und Clintons Demokraten, deren Wahlparteitag Ende nächster Woche in Chicago beginnt, haben die „Perotisten“ noch keinen Präsidentschaftskandidaten nominiert.
Die „Reformpartei“ bietet kein einheitliches Bild
Um die Reform-Kandidatur bewirbt sich nicht nur Ross Perot, sondern auch Richard Lamm, früher demokratischer Gouverneur des Bundesstaates Colorado. Er preschte vor einem Monat mit seiner Kandidaturankündigung vor, als Perot gerade mal wieder unsicher war, ob er antreten sollte oder nicht. Lamm hat jedoch zu spüren bekommen, daß die „Reform Party“ im Grunde nichts weiter ist als ein Perot-Wahlverein und in weiten Teilen nicht bereit wäre, für jemand anderen Wahlkampf zu führen. Er hat sich darüber bitter beklagt, was nicht gerade für ein einheitliches Bild sorgt.
Der Reform-Parteitag besteht im wesentlichen daraus, daß der 61jährige Lamm und der 66jährige Perot jeweils eine Rede halten, und die etwa 1.500 Zuhörer dann geheim abstimmen – zusammen mit den anderen Reform-Anhängern, die die Reden auf Kabelfernsehen verfolgen und dann bis zum kommenden Wochenende mit „elektronischer Stimmabgabe“ per Computer ihre Präferenz kundtun dürfen. Perots eingebauter Vorteil bei diesem Wahlverfahren besteht darin, daß er eine Liste der geschätzten 1,3 Millionen Anhänger seiner Partei hat – und Lamm nicht. D. J.
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