■ Der Polen-Besuch von Johannes Rau war die richtige Geste: Erinnerungsinszenierung ohne Bombast
Es war eine bescheidene und dennoch bewegende Rede, die Johannes Rau gestern auf der Danziger Westerplatte hielt. Der 60. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen war sehr sorgfältig vorbereitet und wohl durchdacht. Die beiden Staatsoberhäupter, Rau und Kwasniewski, trafen sich fast im Morgengrauen auf der Friedensbrücke und nahmen gemeinsam an der Gedenkfeier auf der Westerplatte teil, einem früheren polnischen Stützpunkt, dessen Beschießung durch den Panzerkreuzer „Schleswig-Holstein“ den Zweiten Weltkrieg einleitete. Zuvor aber sprachen sie in Gdingen mit Schülern, am Abend wohnten sie einem Konzert in der Danziger Johanniskirche bei, wo die Israelischen Philharmoniker und der Chor der Warschauer Nationalphilharmonie Gustav Mahlers „Auferstehungssymphonie“ aufführten. Die Botschaft war eindeutig: Begegnung, Pädagogik, Versöhnung und Wiedergeburt.
Für die Polen hat die Westerplatte eine besondere Bedeutung. Wie so oft in ihrer Geschichte der letzten 200 Jahre verteidigte auch im Jahre 1939 dort eine Handvoll polnischer Soldaten eine Stellung nicht nur gegen eine fremde Übermacht, sondern auch gegen die unmoralische Logik der Machtpolitik in Europa, die die Kleineren und Schwächeren den Größeren und Mächtigeren auf Gedeih und Verderb auslieferte.
Der 1. September 1999 war ein wichtiges Datum für die deutsch-polnische Erinnerungspolitik und für die Präsentation einer Partnerschaft zwischen zwei Völkern, die in ihren Beziehungen zueinander über ihren eigenen Schatten gesprungen sind. Die Regie für diesen Tag war würdevoll und gediegen, ohne bombastische Worte und gekünstelte Politliturgien. Mag sein, dass theatralische Gesten und polithistorische Inszenierungen mittlerweile ein wenig aus der Mode gekommen sind. Es kann aber ebenso gut sein, dass es sowohl dem bergischen Kalvinisten als auch dem polnischen Agnostiker einfach nicht liegt, gute Nachbarschaft vorzuspielen, sondern dass sie diese vielmehr durch gute persönliche Beziehungen mitaufbauen möchten.
Und dabei sind die Staatsoberhäupter nicht alleine. Vor wenigen Tagen erst trafen sich in Weimar die drei Außenminister des „Weimarer Dreiecks“ (Frankreich, Deutschland, Polen), morgen kommt Bundeskanzler Schröder nach Warschau. Die deutsch-polnischen Beziehungen erhalten nun womöglich die ersehnte Beschleunigung.
Adam Krzeminski
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