Der Ökonom Richard Koo über die Eurokrise: „Bundesanleihen nur noch für Deutsche“
Der Konjunkturforscher Richard Koo fordert eine Renationalisierung des Marktes für Staatsanleihen: Die jeweilgen Länder geben diese nur an die eigenen Landsleute raus.
taz: Herr Koo, die Eurokrise geht nun ins dritte Jahr. Bleibt zur Rettung des gemeinsamen Währungsraums nur noch der Austritt Griechenlands und Portugals?
Richard Koo: Auf keinen Fall, der Austritt wäre wirtschaftlich eine Katastrophe und käme allen Beteiligten teuer zu stehen. Es gibt einen sehr viel günstigeren Ausweg: Die jeweiligen Länder in der Eurozone dürfen Staatsanleihen nur noch an ihre eigenen Landsleute ausgeben. Bundesanleihen können also nur noch von Deutschen erworben werden, spanische Staatsanleihen nur noch von Spaniern. Auf diese Weise kann spanisches Geld nicht mehr ungehindert nach Deutschland fließen, sondern bleibt in Spanien.
Sie plädieren für eine Abschottung des Anleihenmarkts?
Sie müssen sehen: Fast alle Industriestaaten haben derzeit hohe Schuldenstände. Und doch können sich die Regierungen Großbritanniens, Japans und der USA derzeit so günstig Geld leihen wie selten zuvor. Es finden sich genug Abnehmer für ihre Anleihen. Einige Ökonomen reden bereits von einer Staatsanleihenblase. Die sehe ich nicht.
Warum nicht?
Banken haben das Problem, dass sie gerade von den Notenbanken mit Geld überschwemmt werden, aber nicht wissen, wohin damit. Und nicht zuletzt aufgrund derzeit hoher Währungsschwankungen parken viele institutionelle Anleger das Geld lieber auf den heimischen Anleihenmärkten. Deswegen die historisch niedrigen Zinsen. Die spanische Regierung, die gerade wie verrückt am Sparen ist, wird ihre Anleihen hingegen erst zu einem Zinssatz von rund 6 Prozent los.
Warum ist das so?
Das hängt mit der spezifischen Konstruktion der Eurozone zusammen. Auch zehn Jahre nach der Einführung der gemeinsamen Währung ist es eine Union mit sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen. Nun kriselt es in Südeuropa und das Geld fließt sofort ungehemmt in den reichen Norden ab. Denn spanische Fondsmanager sagen sich: Warum im instabileren Spanien das Vermögen belassen, wenn sich im selben Währungsraum das sehr viel sichere Deutschland anbietet?
Genau das passiert: Spanien hat eigentlich gesunde Staatsfinanzen. Doch die Anleger sind nervös und ziehen ihr Geld ab. Deswegen wird die Bundesregierung derzeit Anleihen fast zum Nullzins los, während die spanische Regierung für ihre sehr hohe Zinsen zahlen muss. Dieses Problem haben die USA nicht. Auch Kalifornien und Florida haben Finanzprobleme. Der Anleihenmarkt dort ist aber einheitlich.
Es gibt den Vorschlag, mit dem Eurobond gemeinsame Staatsanleihen auszugeben.
Ich halte den Eurobond verbunden mit einer gemeinsamen Fiskalunion ohne Zweifel für die beste Lösung. Aber die sehe ich derzeit nicht. Die Deutschen zeigen sich nicht bereit, für die Fehlentwicklungen in Südeuropa einzustehen. Dann belassen wir es in der Eurozone eben bei den souveränen Staaten. Wenn sich jedes Land nur bei den eigenen Bürgern verschulden kann, bleibt eine Schuldenkrise begrenzt. Sie steckt nicht die gesamte Eurozone an.
Unmittelbar würde aber auch Ihr Vorschlag nicht die Finanzmärkte beruhigen.
Das mag sein. Und daher sehe ich derzeit auch nur eine Möglichkeit: Deutschland, die EU und die EZB müssen einspringen, um die Lage zu beruhigen. Aber glauben Sie mir: Wenn es diese Regelung vor zehn Jahren schon gegeben hätte, gäbe es in Spanien heute keine Schuldenkrise, auch nicht in Griechenland. Dass diese Länder über ihre Verhältnisse leben konnten, hängt ja unmittelbar damit zusammen, dass von Deutschen erwirtschaftetes Geld ungehemmt in riskante Immobiliengeschäfte nach Südeuropa floss und dort zu Blasen beitrug.
Was folgt daraus?
Wir sollten dafür sorgen, dass sich diese Fehlentwicklung nicht wiederholt. Ich glaube: Allein die Ankündigung einer solchen Regelung würde in Spanien und Portugal für Vertrauen sorgen und die Märkte beruhigen.
Aber wenn weder der Eurobond kommt noch Ihr Vorschlag Gehör findet, was dann?
Wenn die Regierungen mitten in einer Bilanzrezession weiter ihre Ausgaben kürzen, wird sich die wirtschaftliche Situation weiter verschärfen. Die Menschen werden die Geduld verlieren. Und dann sehe ich in der Tat ganze Demokratien gefährdet.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden