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Der Oberste Sowjet

■ Er repräsentiert die höchste Macht des sowjetischen Volkes / Faktisch bestimmt die Parteispitze

Der sowjetischen Verfassung nach müssen sich Unionsrepubliken über Grenzveränderungen einigen. Ihre Übereinkunft ist dann dem Obersten Sowjet zur Genehmigung vorzulegen. Im Streit um Berg-Karabach ist dies aber nicht zustande gekommen. Der Oberste Sowjet soll nun allein entscheiden, obwohl die Rechtslage nicht eindeutig ist.

Der Oberste Sowjet ist eine Art Parlament, das bisher in der Regel zweimal jährlich für zwei bis drei Tage tagte. Seine zwei Kammern vertreten gleichberechtigt das gesamtstaatliche und das föderalistische Prinzip: Der „Unions-Sowjet“ umfaßt 750 Delegierte, die in der ganzen Union in Wahlkreisen mit ungefähr gleicher Bevölkerung gewählt werden.

Der „Nationalitäten-Sowjet“ besteht ebenfalls aus 750 Delegierten; jede Unionsrepublik entsendet in ihn 32, jede großautonome Republik 11, jedes großautonome Gebiet fünf und jeder großautonome Kreis einen Abgeordneten.

De facto funktioniert auch beim Obersten Sowjet das Grundprinzip der bisherigen Strukturen: Riesige und selten tagende Vertretungskörperschaften repräsentieren die höchste Macht, üben sie aber nicht aus. In der Partei z.B. ist das höchste Organ der Parteitag, die faktische Macht aber liegt beim Politbüro und dem Generalsekretär. Das Machtzentrum des Obersten Sowjet ist entsprechend dessen „Präsidium“, mit einem Vorsitzenden, 15 Stellvertretern (den Vorsitzenden der Obersten Sowjet der Unionsrepubliken), einem Sekretär und 21 sonstigen Mitgliedern. Formell ist dieses Präsidium mächtig. Es kann Beschlüsse des Ministerrates aufheben, es ratifiziert internationale Verträge. Entschieden hat bisher jedoch immer die Parteispitze.

Nach den Beschlüssen der Parteikonferenz wird der Oberste Sowjet im nächsten Jahr zu einem Parlament mit nur noch 450 Abgeordneten umgebildet werden. Sein Vorsitzender soll Vollmachten erhalten, die denen des amerikanischen oder französischen Präsidenten ähneln.

In der gegenwärtigen Situation scheint der Rückgriff auf den Obersten Sowjet jedoch noch als Verlegenheitsmaßnahme. Denn unpopulär ist jede mögliche Entscheidung. Entweder sind die Armenier und die mit ihnen sympathisierenden Georgier und Balten verärgert oder die Aserbeidjaner und mit ihnen indirekt der ganze islamische Raum der Sowjetunion. Und dort wird es in den nächsten Jahren noch genug Ärger geben.

Erhard Stölting

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