: Der Nabel der Welt
Mit Bauchtanzeinlagen präsentiert sich Shakira, Tochter eines Libanesen und einer Kolumbianerin, auf ihrer aktuellen Tour als gelungene Synthese zwischen Lateinamerika und dem Nahen Osten
VON DANIEL BAX
Als Shakira vor zwei Monaten in Venezuela ein Konzert gab, ließ Präsident Hugo Chavéz dafür höchstpersönlich einen Militärflughafen freiräumen. Zuvor hatte ihr Management erfolglos nach einem geeigneten Auftrittsort für die kolumbianische Sängerin gesucht und sich hilfesuchend an den höchsten Mann im Staate gewandt, wie sich Chavéz in einer seiner berüchtigten Fernsehansprachen an die Nation brüstete. Die besondere Symbolik des sonst für die Öffentlichkeit gesperrten Flugfelds bei Caracas lag darin, dass Chavéz vor fünf Jahren von dort aus außer Landes fliehen sollte, als ihn ein letztlich erfolgloser Militärputsch kurzfristig von der Macht vertrieb. Vielleicht werde er sich nun „eine Perücke aufsetzen und unters Konzertpublikum mischen“, witzelte Chavéz.
Es ist nicht bekannt, ob Angela Merkel oder wenigstens Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit am Freitag anwesend waren – mit oder ohne Perücke –, als Shakira zum zweiten Termin ihrer Europatournee in der deutschen Hauptstadt auftrat. Aber in Europa ist Shakira eben nur eine weitere Popsängerin mit Hits wie „Hips Don’t Lie“ und nicht die Symbolfigur für die Renaissance eines ganzen Kontinents wie in Südamerika. Ein wenig gleicht Shakira darin Hugo Chavéz, auch wenn sie in vielem sonst eher sein Gegenstück ist. Nicht nur, was Geschlecht und Attraktivität betrifft. Sondern auch, was ihr Verhältnis zu den USA angeht. Denn während der Venezolaner das populäre, antiamerikanische Ressentiment bedient, hat die Kolumbianerin den mächtigen Bruder erfolgreich umarmt – und wird dort entsprechend zurückgeliebt.
So ähnlich stehen die Dinge auch hierzulande. „Ich liebe Deutschland“, schmeichelte sich Shakira gleich zu Beginn ihres Konzertes ein – und meinte das natürlich nicht aufgrund des Neins zum Irakkrieg oder ähnlicher Erwägungen, sondern schlicht wegen der großen Popularität, die sie hier genießt. Kurz zuvor hatte ein Kanun, eine orientalische Zither, das Konzert mit seinem Geklimper eröffnet, und Shakira war im Strahlenkranz der Scheinwerfer auf die Bühne getreten, während die Musik in den Bombastrock von „Estoy aquí“ mündete – „Ich bin hier“, eine ihrer vielen Mitsinghymnen.
Eher schlicht fällt Shakiras aktuelle Show aus, in der ihre Bauchtanzeinlagen schon die zentralen Höhepunkte markierten. Im Vergleich zur ersten Europatournee vor einigen Jahren, die von einer geradezu hollywoodmäßigen Materialschlacht geprägt war, kreist das Geschehen diesmal vorwiegend um ihren Bauchnabel. Damit betont die Tochter eines libanesischen Vaters und einer kolumbianischen Mutter einmal mehr ihre orientalische Seite – sie selbst steht für die gelungene Synthese zwischen Lateinamerika und dem Nahen Osten, deren weniger schöne Variante in der populistischen Allianz von Chavéz und Irans Präsident Ahmadinedschad aufscheint.
Aber genug der Vergleiche, reden wir über Shakiras Bühnenoutfit: Zu Beginn trug sie eine schlichte schwarze Hose und eine silbrig glänzende Weste, unter der sich ihr bemerkenswert straffer Bauch spannte. Dann vollführte sie in einem ausladenden roten Abendkleid eine Art Schleiertanz, um später im klassischen Bauchtanzkostüm à la „Bezaubernde Jeannie“ auf die Bühne zu treten. All das ist von Bedeutung, um den modischen Look zu antizipieren, an dem sich die vielen Mini-Shakiras im Publikum in nächster Zeit orientieren werden.
Shakira ist in erster Linie ein Mädchenidol, eine schaumgeborene Venus des Frauenzeitschriften-Zeitalters. Ihre Lieder kreisen vorwiegend um Liebesdinge – um enttäuschtes Verlangen, trotziges Aufbäumen und schmerzhafte Emanzipation. Wenn man will, kann man aber auch darin eine Metapher auf die ambivalente Beziehung vieler Latinos zu den USA sehen, die von tiefer Hassliebe geprägt ist. Shakira selbst ist die beste Verkörperung für diese Ambivalenz: Einerseits personifiziert sie mit ihrer souveränen Balance zwischen Spanisch und Englisch lateinamerikanisches Selbstbewusstsein. Andererseits, und das ist die Ironie, zelebriert sie auf der Bühne und in ihrer Musik so ziemlich alle amerikanischen Rockklischees, die man in dieser Ballung schon fast nicht mehr gewöhnt ist: Sie stöhnt und faucht ins Mikro, während sich die Zuarbeiter in ihrer namenlosen Band in sämtlichen abgegriffenen Posen gefallen, die das Rockalphabet zu bieten hat.
Wer Shakira nur von ihrer tanzbaren Seite und ihren südamerikanisch grundierten Hits kennt, für den ist ihre Vorliebe für öde Gitarrensoli gewöhnungsbedürftig. Zum Finale tritt Shakira zwar sogar mit sechs indischen Tänzerinnen im Bollywood-Stil an, während Konfetti in Orange, Weiß und Rosa von der Decke regnet. Doch über weite Strecken ihres Konzerts vermittelt sie den Eindruck, als wäre sie am liebsten eine ganz gewöhnliche Rocksängerin. Hüften lügen eben doch.
Weitere Konzerte: 1. 2. Mannheim, 5. 2. Oberhausen, 6. 2. Köln, 18. und 19. 2. München, 25. 2. Stuttgart, 2. 3. Leipzig
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