: Der Mordbube in der Presse
■ Die Uraufführung einer Text-Montage von Elfriede Jelinek
„Wegen meiner Feigheit“, sagte Elfriede Jelinek ganz bewußt, „wird mein Stück nicht in Wien uraufgeführt.“ Und meinte damit, daß sie das Gegeifere der österreichischen Medien nicht mehr ertragen kann. Nach ihrem letzten Stück Raststätte, uraufgeführt am Wiener Burgtheater, mußte sie sich endlos mit Denunziationen in der Presse herumschlagen. Sie sei eine Wegbereiterin des linken Terrors, hieß es dort.
Ihr jüngstes Stück Stecken, Stab und Stangl wird also in Hamburg uraufgeführt. Anlaß für dieses Werk war die Bombenexplosion, die im vergangenen Februar vier Roma das Leben kostete. „Roma zurück nach Indien“ stand auf dem Schild, das die Täter damals im burgenländischen Dörfchen Oberwart hinterlassen hatten. Elfriede Jelinek war angeekelt nicht nur von der Tat, sondern auch von der Art, wie die öffentliche Diskussion darüber geführt wurde. Die Figuren in ihrem Stück plaudern ebenso beiläufig von sportlichen Ereignissen wie von diesem Mord, der nur kurz erwähnt wird. Ihre Sprache spiegelt die braune Vergangenheit und die Machart der Medien, die solche Taten verharmlosen, indem sie sie zu Einzelschicksalen degradieren und rührig aufbereiten.
Die Autorin hat in ihrem Text viele Zitate versteckt: Gedichte von Paul Celan finden sich darin neben Sätzen, die die Jelinek auf der Straße aufschnappte. Endlose Meter Film hat sie sich angeschaut, von Nachrichten bis zu Dokumentarfilmen. Aus einem stammt der Satz eines ungarischen Bauerns: „Die Jahre gehen dahin, jeder schweigt von etwas anderem.“
Wie inszeniert Thirza Bruncken diesen Text für das Deutsche Schauspielhaus? „Wir haben den Text von vier auf eineinhalb Stunden gekürzt“, erklärt die Kölner Regisseurin, und schmunzelnd fügt sie hinzu: „Es wird relativ viel gehäkelt.“ Seit zehn Jahren verfolgt Bruncken das Schaffen der Autorin, nach einer Inszenierung von Wolken.Heim. in Koblenz ist Stecken, Stab und Stangl ihre erste Arbeit für Hamburg.
Im Titel Stecken, Stab und Stangl sind gleich mehrere Anspielungen verborgen: Das alttestamentarische Glaubensbekenntnis „Der Herr ist mein Hirte“ wird von austauschbaren Figuren beansprucht, die fast alle Stab heißen. Das Wort Stab wiederum ist dem Namen des Jornalisten Staberl entlehnt, der für die Wiener Neue Kronen Zeitung ein mindestens „rechts-orientiert“ zu nennendes Klima schafft. So schrieb der Journalist unter anderem, daß doch die wenigsten Juden durch Gas gestorben, sondern „anderweitig“ im KZ umgekommen seien. Staberl bedient täglich 2,7 Millionen Leser.
Gabriele Wittmann
Premiere: 12. April, 20 Uhr, Malersaal im Schauspielhaus
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