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Der Löwen Durst

Handball Zum zweiten Mal wurde Mannheim deutscher Meister. Zwei Spieltage zu früh gewannen die Rhein-Neckar Löwen über Kiel

Schöne Haare aus der Tanke: Trainer Nicolaj Jacobsen Foto: dpa

aus Mannheim Michael Wilkening

Jennifer Kettemann handelte schnell. „Jetzt müssen wir eben ganz viel Bier von der Tankstelle holen“, sagte die Geschäftsführerin der Rhein-Neckar Löwen und schickte ein paar Mitarbeiter los. Sie wurde von der zweiten Handballmeisterschaft für ihren Klub überrollt und musste improvisieren.

Mit der Titelverteidigung konnte nach dem Sieg am vergangenen Sonntag beim härtesten Rivalen SG Flensburg-Handewitt gerechnet werden, aber dass die Entscheidung schon an diesem Mittwoch fiel, überraschte sehr. Die Löwen fegten im Heimspiel den Rekordmeister THW Kiel mit 28:19 hinweg, und weil unmittelbar zuvor die Flensburger bei Frisch Auf Göppingen unterlagen, sind die Badener bereits zwei Spieltage vor Saisonende nicht mehr von der Tabellenspitze zu verdrängen.

Die damit entstandenen Bierprobleme wurden gelöst, die Löwen entpuppten sich als Könner der Improvisation, und als „Lohn“ übergoss sich eine der ersten Bierduschen wenig später über Kettemann selbst. In der Mannheimer Arena erlebten mehr als 13.000 Zuschauer und die Spieler der Löwen eine spontane und kein bisschen durchchoreografierte Party. „Das wird eine lange Nacht“, kündigte Patrick Groetzki an, nachdem er glückselig auf dem Bauch über den bierglatten Hallenboden gerutscht war.

Das war auch ein Gefühl der Genugtuung. Vor nicht einmal zwei Monaten wurde den Löwen trotz der Meisterschaft in der Vorsaison die Fähigkeit abgesprochen, große Titel zu gewinnen. Wie so oft in den Jahren zuvor. Zum zehnten Mal waren sie beim Final-Four um den DHB-Pokal gescheitert. Hohn und Spott ergoss sich über Spieler und Trainer, von „Flaschen“ und „Versagern“ war die Rede. Jetzt wird ihnen am 10. Juni zum zweiten Mal hintereinander die Meisterschale überreicht – und das ist bemerkenswert.

Seit mehr als zwei Jahr­zehnten dominiert der THW Kiel den deutschen Handball. 17 Mal gewannen die „Zebras“ zwischen 1994 und 2015 17 Mal den Titel, und nur selten gelang es Klubs, diese Dominanz zu brechen. Erst die Löwen schafften das hintereinander. „Es ist schon schwer genug, Meister zu werden“, sagte der Sportliche Leiter Oliver Roggisch. „Das dann im nächsten Jahr noch einmal zu wiederholen ist einfach der Wahnsinn.“

Roggisch und Trainer Nikolaj Jacobsen führten die Mannschaft trotz kniffliger Voraussetzungen zum zweiten Titel. „Ich bin stolz auf meine Mannschaft und danke jedem, der an diesem Erfolg beteiligt war“, sagte Jacobsen, ehe auch er unter einer Bierdusche japsen musste.

Mannheim galt lange als „Versager“. Die zweite Meisterschaft sorgt für Genugtuung

Der Däne hatte vor dieser Saison eine noch schwerere Aufgabe zu bewältigen, denn nachdem sich die Löwen bereits mit einem eng bestückten Kader zur ersten Meisterschaft gespielt hatten, gab es diesmal noch weniger personelle Alternativen. Die Identifikationsfigur Uwe Gensheimer wechselte nach Paris, wurde sportlich von Gudjon Valur Sigurdsson allerdings adäquat ersetzt. Keinen Ersatz gab es hingegen für Stefan Kneer. Den Ex-Nationalspieler mussten die Löwen in Richtung Wetzlar ziehen lassen und hatten keine finanziellen Mittel, um eine brauchbare Alternative zu beschaffen.

Also arbeitete sich ein Minikader, angeführt vom genialen Spielmacher Andy Schmid, erneut durch eine Vielzahl von Spielen in drei Wettbewerben und schaffte es, im Jahr 2017 in der Liga bislang ohne Niederlage zu bleiben. In der entscheidenden Saisonphase waren die Badener da – und konnten deshalb vorzeitig feiern.

Auch Andy Schmid. Der Kopf der Mannschaft hatte wie Geschäftsführerin Kettemann Mittwochabend ebenfalls mit Problemen zu kämpfen, die spontane Partys nun einmal mit sich bringen. „Ich bin mit dem Auto gekommen und habe außerdem gar keine Klamotten zum Feiern dabei“, sagte der Schweizer bedauernd. Aber er grinste dabei.

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