Der Lobbyist der Woche: Der Verzockte
Die Eltern sind ja immer irgendwie schuld: Vater Erivan führte schon früh bleifreies Benzin an den firmeneigenen Tankstellen ein und listete Schildkrötensuppe und Froschschenkel aus, Mutter Helga feierte auch mit 80 Jahren das Internet als so wichtig wie die „Erfindung des Buchdrucks“. Ihr Spross Karl-Erivan Haub (Foto), in 5. Generation Chef der milliardenschweren Firmengruppe Tengelmann (Obi, Kik) wollte auch immer vorne dran sein: Der gelernte Kaufmann und Diplomökonom setzte schon früh auf Online. Der 56-Jährige beteiligte sich an Zalando, Delivery Hero und Uber, an babymarkt.de und GartenXXL.de. Heute ist Haub, der im Wahlkampf 2013 mit Anzeigen für Angela Merkel warb, Chef von 210.000 Mitarbeitern.
Dafür verschlampte er den Umbau des stationären Handels. Der Vater hatte die Familienfirma aus Mülheim mit Kaiser’s Tengelmann noch zum größten Lebensmittelfilialisten des Landes gemacht. Doch in die Märkte wurde zu wenig investiert, Kaiser’s schlitterte in die Krise. Haub reagierte mit der Axt: Er verkaufte die Großmarktketten Grosso und Magnet, den Drogeriemarkt Kd und die Schokoladenfabrik Wissoll. Den Discounter Plus gab er an die Edeka-Tochter Netto ab. Gleichzeitig schrumpfte Kaiser’s Tengelmann vom bundesweiten Anbieter zum Regionalversorger. Und Haub verzockte sich mit dem Plan, die Kette an Edeka zu verkaufen.
Haub sagt zwar, er sei „kein eiskalter Portfolio-Manager, der sich leichtfertig von etwas trennt, wenn es nicht läuft“. Sein Handeln zeigt das Gegenteil. Vielleicht ist Haubs Ankündigung vom Donnerstag, in der kommenden Woche die Zerschlagung von Kaiser’s zu starten, nur eine weitere Volte im ewigzähen Verkaufsprozess. Aber: In der Haut der 16.000 betroffenen Mitarbeiter möchte man kaum stecken.
Kai Schöneberg
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