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Der Kronzeuge kommt bald

Selten waren sich die Sachverständigen, egal von welcher Partei sie benannt worden waren, so einig wie bei Anhörung des Rechtsausschusses am 14. November 1986: Die von der Koalition konzipierte Kronzeugenregelung sei ein „untaugliches und schädliches Mittel“, das gegen die Rechtsdogmatik, geltendes Verfassungsrecht, gegen das Rechtsstaats– und das Gleichheitsprinzip verstoße. Diese grundsätzliche Kritik an der Einführung einer solchen Regelung wurde in der Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen. SPD und FDP hatten die Aufmerksamkeit auf einen einzigen Aspekt gelenkt, die „Straffreiheit für Mörder“, die der von der CDU/CSU favorisierte Entwurf zulasse. Die Kronzeugenregelung verschwand in der Schublade - aber nur, um ein paar Wochen später bei den Koalitionsverhandlungen wieder herausgekramt zu werden. Geändert wurde im Vergleich zum umstrittenen Entwurf vom Herbst 1986 lediglich die schon im Herbst heiß diskutierte „Straffreiheit für Mörder“. Sie soll es nicht geben. Leute, die in der Illegalität jemanden umgebracht haben, sollen, wenn sie zum Gefallen der Staasschutzorgane aussagen, lediglich eine Strafminderung bekommen, alle anderen sollen allerdings straffrei ausgehen können. In der Praxis wird sich diese Veränderung kaum als Verbesserung auswirken, denn auf den Nachweis des individuellen Tatbeitrags wird von bundesdeutschen Gerichten gerade bei Gefangenen aus der Guerilla sowieso weitgehend verzichtet. Entscheidender ist die Frage, ob Kronzeugen erst während der Gerichtsverhandlung als solche akzeptiert werden, oder ob sie schon im Zuge der Ermittlungen von Ermittlungsrichter und Generalbundesanwalt Straffreiheit zugesichert bekommen. Das erst würde die Kronzeugenregelung qualitativ von der schon heute im §129a enthaltenen Regelung unterscheiden, nach der „das Gericht...die Strafe nach seinem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung absehen (kann), wenn der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder freiwillig sein Wissen, so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können“. Könnten nämlich Generalbundesanwalt und Ermittlungsrichter jemanden zum Kronzeugen machen, fiele die ohnehin kaum vorhandene öffentliche Kontrolle gänzlich weg. Die Einschleusung von Provokateuren, die zu Straftaten animieren, ließe sich noch risikoloser durchführen als bisher: würden sie gefaßt oder enttarnt, zöge man sie als Kronzeugen aus dem Verkehr und könnte ihre Aussagen trotzdem verwerten. Im Bundesjustizministerium liegt derzeit ein bereits mit dem Bundesinnenministerium abgestimmter Entwurf für die Kronzeugenregelung vor. Der genaue Wortlaut seiner Bestimmungen ist aber auch den Koalitionsfraktionen noch nicht bekannt. Dafür, daß Widerstand aus der FDP zu erwarten ist, spricht derzeit nichts: das einzige, was sie beim ersten Vorschlag moniert hat, ist verändert worden. Auch auf dem FDP– Parteitag ist die Kronzeugenregelung nicht erneut zum Thema gemacht worden. Oliver Tolmein

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