Der Kreuzfahrtboom im Norden: Königin der Rußschleudern
Kommenden Sonntag beginnt im Norden die Saison der Luxusliner. Alle Häfen erwarten neue Passagierrekorde. Aber auch die Umweltprobleme wachsen.
HAMBURG taz | Die Königin macht den Anfang. Wenn am kommenden Sonntag die "Queen Elizabeth" den Hamburger Hafen anläuft, beginnt mitten im Regenwinter in Norddeutschland die Saison der Kreuzfahrer. Etwa 140 weitere Besuche von Luxuslinern sollen in diesem Jahr folgen. Die Details will Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am Sonntag an Bord selbst verkünden. Der zweite große Kreuzfahrthafen Kiel will demnächst seine Schiffsmeldungen für 2012 veröffentlichen, Rostock-Warnemünde vermeldet bereits einen Rekord: 164-mal soll der Ostseehafen in diesem Jahr Ziel von Kreuzfahrtschiffen werden.
Alle drei großen Häfen dürften 2012 die Zahlen des Vorjahres (siehe Kasten) übertreffen. In Hamburg waren es 33 große Luxusliner, die 134 Mal im Cruise Center in der Hafencity festmachten. Mehr als ein Drittel davon entfiel auf die Aida-Flotte, die mit vier Schiffen zu 48 Besuchen die Elbe heraufkam. Und auch die "Queen Mary 2", deren erste Visite im Juli 2004 als Sensation galt, war voriges Jahr sechsmal in Hamburg, ohne dass es noch groß aufgefallen wäre.
Denn die Branche boomt seit Jahren, und ein Ende ist nicht in Sicht. Noch nie habe es so viele relativ wohlhabende Menschen in Deutschland und anderen großen westlichen Industrienationen gegeben, sagt Richard Vogel, Geschäftsführer von Tui Cruises in Hannover: "Niemand kauft sich jedes Jahr einen neuen Fernseher, aber viele machen jedes Jahr Urlaub."
In Norddeutschland gibt es drei große und drei kleine Häfen, die regelmäßig von Kreuzfahrtschiffen angelaufen werden - zum Teil mehrmals pro Jahr. Die vorläufige Statistik für das Jahr 2011:
Hamburg: 134 Anläufe mit mehr als 300.000 Passagieren.
Kiel: 119 Anläufe mit knapp 300.000 Passagieren.
Rostock-Warnemünde: 164 Anläufe zumeist kleiner und mittlerer Schiffe. Die Zahl der Fahrgäste dürfte deshalb nur bei gut 200.000 liegen.
Die Kleinen: Bremerhaven mit 42, Lübeck-Travemünde mit 18 und Cuxhaven mit acht Anläufen.
2011 dürften etwa 1,2 Millionen Deutsche eine Kreuzfahrt gebucht haben. Seit 2007 wächst diese Anzahl jährlich um zweistellige Prozentpunkte. Bis 2020 soll sich die Zahl der Passagiere, so kalkulieren die Reedereien, auf etwa 2,5 Millionen verdoppeln. 2010 machte die Branche in Deutschland einen Umsatz von immerhin 2,1 Milliarden Euro - der Reiseriese Tui setzte zehnmal soviel um. Hinzu kommt das Geld, das die Passagiere beim Landgang in den Städten lassen. In Hamburg waren das 2010 etwa 18 Millionen Euro.
Doch nicht allen gefällt das Geschäft mit den schwimmenden Luxushotels. Der Naturschutzbund (Nabu) hat seinen Anti-Umweltpreis "Dinosaurier 2011" an Aida und Tui verliehen. Nabu-Präsident Olaf Tschimpke kritisierte die "dreckigen Rußschleudern", die mit hochgiftigem, aber billigem Schweröl fahren. Auf einer Kreuzfahrt falle so viel Schadstoff an, wie fünf Millionen Autos auf der gleichen Strecke ausstoßen würden.
Auch in den Häfen sind die Emissionen gewaltig. Der Stromverbrauch von Küchen, Festsälen und Schwimmbädern entspricht dem Bedarf einer Kleinstadt - und wird von den Schiffsmotoren erzeugt. Die Alternative, die Schiffe an das Stromnetz an Land anzuschließen, ist noch in kaum einem Hafen verwirklicht.
Aida gelobt indes Besserung. 2010 sei der Schadstoffausstoß um bis 5,9 Prozent verringert worden, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht der Reederei. Wie sauber die Schiffe jetzt sind, lässt sich am 12. Mai überprüfen. Dann kommt der neue Ozeanriese "Aidamar" zur Taufe nach Hamburg - eskortiert von drei Schwesterschiffen.
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