piwik no script img

Der Kneipenstreit geht weiter

■ Anzeigen wegen ruhestörenden Lärms erfolgten zumeist anonym / Baustadträtin Eichstädt weigert sich, gesetzliche Regelungen zum Freiluftausschank voll auszuschöpfen

Kreuzberg. Zu einem Volksfest avancierte in der Nacht zum Freitag die Prostestaktion Kreuzberger Wirte und ihrer Gäste am Spreewaldplatz (siehe taz von gestern). Nachdem einige Kurzentschlossene auch noch die Skalitzer Straße blockiert hatten, feierten die Verfechter nächtlichen Freiluftbieres bis weit nach Mitternacht. Erst ein aufziehendes Gewitter ließ die meisten der Anwesenden Zuflucht in trockene Räumlichkeiten suchen.

Gestern nachmittag nun veranstalteten die Kneipiers im „Regenbogenkino“ Lausitzer Straße ein Hearing zu ihrem Problem. Ex-Baustadtrat Werner Orlowsky, der die Veranstaltung moderierte, sprach sich zum Beginn für die Beibehaltung des Freiluftausschanks nach 22 Uhr aus: „In anderen europäischen Großstädten wäre es unmöglich, daß abends um zehn die Stühle reingeräumt werden müssen.“

Vereint wiesen der anwesende Vertreter der Polizei, Henzke, sowie die Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt den Vorwurf der Gastwirte zurück, es handele sich bei den sich in letzter Zeit häufenden Anzeigen wegen Überschreitung der Freiluftgenehmigung um eine bewußt inszenierte Aktion. Eichstädt: „Wir treten nur dann in Aktion, wenn sich Bürger wegen Lärmbelästigung beschweren.“ Wie diese Anzeigen zustande kommen, erzählte Polizeibeamter Henske: „Zumeist werden wir telefonisch um Hilfe gebeten, weil es zu ruhestörendem Lärm gekommen sei. Fahren unsere Beamten vor Ort, stellen sie fest, daß alles ruhig ist.“ Die Anrufe erfolgten zumeist anonym. Werner Orlowsky folgerte daraus, daß auf diese Art und Weise ein einziger Querulant es durchaus auf einhundertfünfzig Anzeigen pro Woche bringen könnte.

Baustadträtin Eichstädt vertrat die Ansicht, daß es aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei, die Genehmigungen über 22 Uhr hinaus zu verlängern. Dem Widersprach jedoch Claus Labonte von der Industrie- und Handelskammer energisch und verwies auf die entsprechenden Paragraphen. Werner Hirschmüller von der AL kündigte an, daß die AL eine Gesetzesinitiative zur Absicherung des bisher nur auf Gewohnheitsrecht basierenden nächtlichen Straßenausschankes einbringen werde. Auch Claus Labonte warnte davor, sich auf Ermessensspielräume der Behörden zu verlassen. Damit wären die Betroffen stets vom Good-will einzelner Beamter abhängig. Wichtig wären eindeutige rechtliche Regelungen. Die aber wären teilweise schon vorhanden, müßten nur vollständig ausgeschöpft werden. Dazu aber schien Baustadträtin Eichstädt nicht bereit zu sein. Wiederholt verwies sie auf das „Ruhebedürfnis der Bürger“ - was einen Kneipier zu der Bemerkung veranlaßte, daß das in Kreuzberg ja wohl nicht größer sei als in anderen Bezirken, wo die Biergärten die ganze Nacht geöffnet sein.

Olaf Kampmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen