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Der Kanalarbeiter

■ Tele-Tips aus der Provinz

All jenen, die Ostern im Landhaus in der Toskana oder auch nur in St.-Peter-Ording verbringen, ist das Weiterlesen untersagt, widmet sich doch diese Kolumne den Geschlagenen, die in grauer Städte Mauern mit Hilfe des Color-TVs ein wenig Farbe in den tristen Alltag bringen möchten. Begeben wir uns also zwecks Eiersuche ins Programmdickicht. Fündig werden wir bereits am Samstag um 19.30 Uhr, wenn der blankpolierte Eierkopf W. Baasner Das Erbe der Guldenbergs wittert. Eier, Kröten, Mäuse und Karriere macht J.-L. Trintignant in M. Devilles frecher Filmsatire Das wilde Schaf, die um 22.30 Uhr unseren ostdeutschen Anverwandten vorgeführt wird, was durchaus Sinn macht, denn auch jene werden sich noch kräftig wirtschaftswundern... Um Falkeneier und was aus ihnen wird geht's am Sonntag in dem empfehlenswerten Kinderfilm Der Sommer des Falken, den die ARD um 12.40 Uhr ausstrahlt, wenn die meisten Angehörigen der Zielgruppe am Mittagstisch die Füße stillhalten müssen. Ein bißchen weltfremd, unsere ProgrammplanerInnen. Immer wieder gern aus dem Archiv gekramt wird der Film Osterspaziergang, und weil der elegante Fred Astaire mitspielt, immer wieder gern goutiert. Leider hat nur Hessen ab 14.00 Uhr das Vergnügen. Finstermännisch turnt um 16.30 Uhr unser Armin Mueller-Stahl im ZDF durch die poröse Ende -Verfilmung Momo. Aufgeweckte Kinder überlassen dieses wie aus einem Zuckerguß gefertigte Naschwerk ihren Erbtanten und gehen lieber New Kids On The Block hören. Ernsthafte Menschen können um 23.10 Uhr 3sat einschalten und mit der Sendung Edith Clever liest James Joyce ihr Schwermütchen kühlen. Ich lese übrigens gerade R.L. Stevenson, werde aber keinen Film daraus machen. Herrlich buntes Achterbahnkino ist Die Abenteuer des Kapitän Grant, in der besonders der charmante Maurice Chevalier überzeugt. ARDs zeigen diese Jules-Verne-Verfilmung aus dem Jahr '65 am Montag um 15.00 Uhr. Am Abend stürzt uns die reichhaltige Auswahl dann in Seelennot und Herzenspein, zählt doch auch Manfred Krug zu den Ostereierköpfen. Um 20.15 Uhr bekommt er als Liebling Kreuzberg Iris Berben als neue Freundin zugeteilt, was mich persönlich mißmutig stimmt, da uns doch Frau Berben schon alle Naselang als rassige Schönheit gehobenen Alters begegnet. Es muß doch noch mehr Schauspielerinnen geben, die diese Rolle auszufüllen vermögen?! Dummerweise parallel zu Kreuzbergs und allerwelts Liebling zeigt Nord 3 unter dem Titel Ken Russell's Crazy Picture Show das Selbstporträt des verrückt-genialen britischen Regisseurs. Neue Gesichter gibt's dann um 21.00 Uhr im Schweizer Tatort zu sehen. Das ZDF setzt mit Liebes Leben zur gleichen Zeit den neumodischen Unsinn der Episodensendung fort, die aber aufgewertet wird durch Mitwirkung der kühlen Barbara Rudnik, der souverän-sinnlichen Hannelore Elstner und der glutvollen Anja Kruse. Tja, das Leben ist ein Urwald voller Entscheidungen, die nach und nach gefällt werden müssen... oder auch nicht.

Harald Keller

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