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■ Filmstarts à la carteDer Jesus von New York

Der Gewerkschaftsboß heißt Johnny Friendly. „Nomen est omen“, glaubte der römische Komödiendichter Plautus zu wissen – doch Drehbuchautor Budd Schulberg und Regisseur Elia Kazan hatten bei „Die Faust im Nacken“ anderes im Sinn. Ihr Friendly (Lee J. Cobb) ist alles andere als freundlich: ein brutaler Mobster, der seine Hafenarbeitergewerkschaft mit eiserner Faust regiert und zwecks Machterhaltung auch vor Mord nicht zurückschreckt. Da bedarf es dann schon des Ex- Boxers Terry (Marlon Brando), um sowohl Friendlys Visage als auch die mafiosen Strukturen zu zerschlagen.

1952 hatten die ehemaligen Kommunisten Kazan und Schulberg vor dem Ausschuß für „Unamerikanische Umtriebe“ ihre Ex-Freunde verpfiffen; zwei Jahre später sagte Terry in „Die Faust im Nacken“ gegen seine ehemaligen Gangster-Kumpane vor einer Untersuchungskommission aus: Die Verräter rechtfertigen ihren Verrat. Dieser vollzieht sich im Film unter vielerlei Bedenken und mit quälender Langsamkeit. Das liegt nicht zuletzt an Marlon Brando, der spielt, als ob er jeden Moment einschlafen würde. Am Ende inszeniert Kazan ihn als den Christus von New York: Reihen von Hafenarbeitern säumen den Weg, den der zerschlagene, blutüberströmte Terry zurückzulegen hat, der unter der Bürde der Verantwortung dahinwankt wie weiland der Heiland unter der Last des Kreuzes.

Im Hollywood der Fünfziger, zwischen schießfreudigen Cowboys und Esther Williams' Wasserballetten, galt Brandos methodic acting, das jeden Blick und jede Geste psychologisch motiviert, als Gipfel des Realismus – heute mag man den Mimen wegen seiner affektierten Manierismen kaum mehr ernst nehmen. Die Qualitäten des Films liegen anderswo: Meisterlich eingefangen ist die Atmosphäre des winterlichen Hafenviertels (Kamera: Boris Kaufman): schäbige Häuser, grauer Himmel und das Tuten des Nebelhorns.

im Filmmuseum Potsdam

Oftmals sind einzelne Aspekte eines Films viel interessanter als das, was „hinten dabei rauskommt“, wie Herr Kohl einst so nett formulierte. Zum Beispiel „Blade Runner“: Da gibt es Science-fiction mit ausgesprochen eindrucksvoller Filmarchitektur (Douglas Trumbull), eine hübsche altmodische Detektivgeschichte mit Harrison Ford als resigniert-melancholischem private eye à la Bogart und eine noch altmodischere Liebesgeschichte. Überlagert wird das alles jedoch leider von einer etwas verquasten Philosophie, die banale Weisheiten über Leben und Tod verkündet und sich in kitschiger Symbolik ausdrückt: Da reicht der Schurke des Stücks am Ende seinem Todfeind helfend die Hand; sterbend läßt er gar weiße Tauben fliegen.

Zum Happy-End (Replikantenjäger und geliebte Replikantin gemeinsam in grüner Landschaft) wurde Regisseur Ridley Scott allerdings vom Studio genötigt; der sogenannte director's cut beseitigte später dieser Ärgernis.

im Nickelodeon (im Jo-Jo).

Wer nach den Festtagen der vergangenen Wochen vom Feiern nicht genug bekommen kann, der sollte die schönste Festivität der Filmgeschichte im Kino nicht versäumen. Anderthalb Monate drehte der detailbesessene Luchino Visconti an der opulenten Ballszene in „Der Leopard“: mit echten Adeligen als Statisten, mit echten Speisen auf originalem Geschirr. Visconti inszenierte einen letzten grandiosen Höhepunkt einer dem Untergang geweihten Klasse im Palermo der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts: Inmitten des Trubels, zwischen Tanz, Essen und belanglosen Gesprächen beginnt das langsame Sterben des Fürsten von Salina, den der ehemalige Zirkusartist Burt Lancaster – in der Rolle seines Lebens – mit resignierter Grandezza verkörpert.

im Babylon Mitte.

Lars Penning

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