: Der Horror heiliger Harmonie
■ Kirche wirbt mit Kalender für den „anderen Advent“
„Die Weihnachtszeit mit ihrem Harmoniedruck und Familienzwang hat sich für viele Menschen zum wahren Horror entwickelt“, hat Hinrich Westphal erkannt, Leiter des Öffentlichkeitsdienstes der nordelbischen evangelisch-lutherischen Landeskirche. Um die Adventszeit wieder näher an ihre ursprüngliche Bedeutung als eine Zeit der Ruhe und Besinnung zu bringen, hat sich Westphal mit einigen anderen die Aktion „Der andere Advent“ ausgedacht, die in diesem Jahr erstmals bundesweit läuft.
Kernstück des „anderen Advents“ ist ein Kalender, der vom 30. November bis zum 6. Januar für jeden Tag einen besinnlichen Text und ein Beispiel für die praktische Umsetzung enthält. „Wir haben den Kalender bewußt schlicht gestaltet und auf den üblichen weihnachtlichen Schnickschnack verzichtet“, sagt Westphal. Anhand der Texte solle sich jeder Teilnehmer täglich zwölf Minuten Stille und Nachdenken gönnen.
Ziel der Aktion sei es, auch Menschen zu erreichen, die nicht zur Kirche gehen. „Wir haben den vielen Menschen gegenüber, die zwar Kirchenmitglieder sind, aber nicht zu kirchlichen Veranstaltungen gehen, eine gewisse Bringschuld“, meint Westphal. Mit der Form der Aktion, an der sich jeder täglich nach seinen eigenen Vorstellungen beteiligen könne, wolle die Kirche den Individualisierungstendenzen in der Gesellschaft Rechnung tragen. Ist „Der andere Advent“ also auch eine Werbeaktion für neue Kirchenmitglieder? „Wenn sich das nebenbei ergibt, ist uns das natürlich recht“, sagt Westphal, „aber primäres Ziel ist das nicht.“
Peter Gerhardt
Den Kalender gibt es gegen Spende bei den Kirchengemeinden oder beim Amt für Öffentlichkeitsdienst der nordelbischen evangelisch-lutherischen Kirche, Feldbrunnenstr. 29, 20148 Hamburg
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