piwik no script img

Der Hamburger SPD-Vorsitzende Olaf Scholz"Was die SPD darf, dürfen Grüne auch"

"Nicht überrascht" ist Olaf Scholz über die Entscheidung der GAL, Schwarz-Grün fortzusetzen. Scholz wirbt für Rot-Grün nach der Wahl 2012 und bescheinigt der "Linken" "ordentliche Arbeit".

Die GAL im Jahr 2008: Große Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU. Bild: ap
Interview von Sven-Michael Veit

taz: Herr Scholz, die Grünen wollen offenbar mit dem schwarzen Ahlhaus weiterregieren. Verstehen Sie das?

Olaf Scholz: Die meisten HamburgerInnen sind für Neuwahlen. Die meisten AnhängerInnen der GAL auch. Wenn die Grünen nun mit der schwarz-grünen Koalition einfach weitermachten, als wäre nichts gewesen, kann sie das viel Zustimmung kosten. Dabei sind die Umfragewerte der GAL ja jetzt schon vergleichsweise schlecht. Da die CDU in den Umfragen auch schlecht dasteht, sieht das ein wenig nach einer Koalition derjenigen aus, die sich vor dem Wählervotum fürchten. Das hinterlässt keinen guten Eindruck und wirkt sehr abgehoben.

Sind Sie enttäuscht über die Grünen?

Bild: dpa
Im Interview: 

Olaf Scholz, 52, SPD-Landesvorsitzender und Spitzenkandidat für das Amt des Bürgermeisters 2012. Scholz ist stellvertretender Partei- und Fraktionsvorsitzender. 2001 war er schon Innensenator in Hamburg und von 2002 bis 2004 Generalsekretär der SPD im Bund.

Darum geht es nicht. Die GAL ist eine eigenständige Partei. Die Grünen müssen nichts tun, um der SPD zu gefallen. Wir haben es deshalb auch tunlichst vermieden, den Eindruck zu erwecken, wir nähmen Einfluss auf den innerparteilichen Willensbildungsprozess der GAL. Auch wenn es natürlich die nötigen Gesprächsfäden zu den führenden Vertretern der Hamburger Grünen gab und gibt. Ansonsten sind wir über den bisherigen Verlauf der innerparteilichen Debatte der GAL nicht überrascht. Es erfordert Mut, zu springen, und es ist bequem, an Ämtern festzuhalten.

Aber wäre es vermittelbar gewesen, wenn die GAL die Koalition wegen einer Personalfrage, nicht wegen inhaltlicher Differenzen, verlassen hätte?

Die GAL konnte bei Unterschrift unter den Koalitionsvertrag nicht wissen, dass Herr von Beust in der Mitte der Legislaturperiode hinschmeißt. Und nach den öffentlichen Bekundungen führender PolitikerInnen der GAL waren sie auch jetzt nicht ordentlich über den bevorstehenden Rücktritt informiert worden. Wenn das kein Grund ist, neu über alles nachzudenken, was denn sonst? Und so haben das ja wohl auch alle in der GAL gesehen. Niemand sagt dort, es ist egal, wer CDU-Bürgermeister ist. Alle wollen Bedingungen für die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition formulieren. Es wäre unlogisch, dann Neuwahlen auszuschließen.

Hätten Sie sich den sofortigen Wechsel zu einer rot-grün-roten Koalition gewünscht?

Die HamburgerInnen wollen keinen neuen Bürgermeister aus dem Hinterzimmer, sondern selbst entscheiden. Die wollen nicht Herrn Ahlhaus vorgesetzt bekommen, aber auch keinen anderen.

Also kommt das erst nach regulären Neuwahlen 2012 in Frage?

Wir wollen eine starke SPD. Am liebsten wäre uns ein von SPD und Grünen getragener Senat. Und es sieht ganz danach aus, dass beide Ziele sehr realistisch sind.

Umfragen sagen zurzeit eine rot-grüne Mehrheit voraus. Ist das Ihre bevorzugte Machtoption?

Eindeutig ja.

Aber Rot-Rot oder Rot-Grün-Rot ginge dann auch?

Die Abgeordneten der Partei Die Linke machen in der Bürgerschaft ordentliche Arbeit. Aber es reicht erkennbar für Rot-Grün nach der nächsten Wahl. Wann auch immer die stattfindet.

SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte die Grünen kürzlich eine Partei für Wohlfühlthemen, die mit jedem koaliere. Hat Sie das geärgert?

Die Äußerungen Sigmar Gabriels scheinen mir etwas überbewertet. SPD und Grüne sind zwei Parteien. Die können gar nicht immer einer Meinung sein. Gabriel und ich sind einig: Was die SPD in Sachen Koalitionen darf, dürfen die Grünen selbstverständlich auch. Allerdings sind die natürlichen Schnittmengen zwischen SPD und Grünen am größten. Und wenn eine Zusammenarbeit möglich ist, brauchen beide Parteien sehr gute Gründe, sie nicht zu suchen. Das ist übrigens gerade das Problem der Hamburger GAL im Verhältnis zu ihren AnhängerInnen.

Wann entscheidet die Hamburger SPD über ihren Bürgermeister-Kandidaten?

Wenn es so weit ist. Sollten die Wahlen regulär im Jahre 2012 stattfinden, im nächsten Jahr. Wenn es dieses Jahr zu Neuwahlen kommt, ganz schnell.

Werden Sie antreten?

Die SPD hat mich gebeten, zu gegebener Zeit einen Vorschlag zu machen. Das werde ich tun. Alle Umfragen zeigen: Hamburg will wieder einen sozialdemokratischen Bürgermeister, für den der soziale Zusammenhalt nicht ein Zugeständnis in einer Koalitionsvereinbarung ist, sondern eine Herzensangelegenheit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • C
    Cathrin

    moin,

     

    @Hannes: das ist zwar durchaus wahr, aber auch die grünen haben ihren anteil an den harz gesetzen. sie haben den Vorteil, dass sie schon länger nicht mehr im Bund regieren.

    Aber sie müßen sich schon fragen lassen ob sie mit jedem regieren wollen. Nur um Grüne themen kann es ja nun nicht mehr gehen.

    Die Schulreform ist ja an den bürgerlichen Wählerschichten gescheitert. Im übrigen die klassischen CDU-Wähler.

     

    Ich denke es ist schon an der Zeit das auch die GAL sich neu positioniert für die nächsten Jahre in der Regierung - nach Moorburg, Schulreform etc.

  • DK
    Der Ketzer

    Wenn es um eine ganze Regierungsperiode geht, da muß man echt abwägen: Pensionsansprüche, Dienstwagen...., kurz gesagt am Trog bleiben oder nicht.

    Da kann man zur Not auch eine CDU-SPD-FDP-Grüne-Linke-Koalition bilden, da wächst das Zusammengehörigkeitsgefühl trotz früherer Differenzen. Zum Wohl der Bürger natürlich, die in Hamburg zuletzt allen Parteien eine Ohrfeige gaben. Eine kleine ketzerische Frage zum Schluß: Ist bei der GAL die verhüllte Frau mit orientalischer Tracht (Titelfoto) für kultursensible Sprache oder Frauenrechte zuständig? Ich frage nur wegen den jahrzehntelang ganz oben geführten Themen wie Gleichberechtigung und Frauenrechten. Villeicht ist sie aber auch für neue Kohlekraftwerke zuständig, da ist dann eine Vermummung ganz praktisch.

  • E
    Elbkoenig

    Herr Scholz präsentiert als der soziale Saubermann der Hamburger. Dabei hat er massgeblich zu den Hartz-IV-Gesetzen beigetragen. Er war es, der als Sozialminister keine Änderungen dieser Gesetze wollte und nach wie vor daran festhalten will.

    Ein Sozialminister, dem die Schicksale der Menschen egal sind, der um die verfassungsrechtlichen Bedenken der Hartz-IV-Gesetzgebung weiss und diese wissentlich ignoriert und sich sogar darüber lächerlich macht, ist als Bürgermeister einer Stadt wie Hamburg gänzlich ungeeignet.

  • B
    bempo

    Wenn ich diese grünen Wendehälse sehe, die keinerlei Probleme haben, die größten schwarzen Kröten herunterzuwürgen, um an der Macht zu bleiben... ( aus Angst vor Neuwahlen)

    Ich wette, da hilft nicht mal einer von Ahlhaus so hoch geschätzten Brechmitteleinsätzen! Mögen sie Ihnen im Hals steckenbleiben. Ich wähle nie wieder "grün".

  • B
    Bleedranner

    Spricht der Scholz wirklich mit Binnen- "I", oder ist das die Freiheit der JournalistInnen bei der Wiedergabe von Interviews?

  • H
    Hannes

    "es ist bequem, an Ämtern festzuhalten" ... anders beid er SPD: Da hauen Studenten auf die Pauke, ehemalige Bürgermeister werden von grauen Funktionären aus ihren Mandaten gebombt - bei der Partei kracht es innerparteilich.

    Olaf Scholz tut so, als sei seine Partei zivilisiert und diszipliniert - das ist aber nicht zutreffend.

    Ich kann es ganz gut verstehen, warum die Grünen massive Vorbehalte gegen die Hamburger SPD haben. Und die SPD hat bislang bei jeder Wahl Stimmen verloren, selbst bei Gurkenwahlen für die EU, konnte die Partei nicht mobilisieren, weil den normalen SPD-Wählern die Hartz-Gesetze nicht schmecken (an denen Scholz ja Anteil hatte).

     

    Ich prognostiziere der SPD keine leichten Wahlen in Hamburg. Außerdem fehlt denen ein Angebot glaubwürdiger, angreiffender und sachkundiger Abgeordneter. Der Vorsitzende in der Bürgerschaft redet immer wie große Koalition und der Rest ist vielleicht durchtrieben und intrigant, aber wer von denen ist einem Normal-Hamburger positiv ins Bewusstsein vorgedrungen? Wahrscheinlich kein einziger. Und dieses Parlament besteht aus 120 Abgeordneten.

    Die GAL hingegen hat die Opposition immer mit guten Köpfen, Inhalten und Attaken gegen die Regierung gestaltet, nach fast zehn Jahren ist die SPD in ihrer Oppositionsrolle immer noch nicht angekommen. Die Fraktion wirkt immer noch wie eine lahme Ente.

    Und auf klare Inhalte und überzeugende Köpfe kommt es im Wahlkampf an. Scholz selber ist ein Schlauberger und Automat - das werden wir alle noch merken - wann hat er je eine Mehrheit in Hamburg für die SPD erkämpft? Die letzte Wahl hat die SPD unter Henning Vorscherau gewonnen, aber der steht nicht mehr zur Wahl.