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Der Gegenschlag

Heute Abend wird in Berlin der Deutsche Filmpreis verliehen. Hinter den Kulissen formieren sich die Produzenten endlich zum Generalangriff

von STEFFEN GRIMBERG

Drei Seiten sorgt sich Günter Rohrbach, gewissermaßen der Doyen der deutschen Filmproduzenten, im aktuellen Spiegel um den neuen deutschen Film und dessen internationales Renommee, das sich so erst recht nicht einstellen wird: Identitätsstiftend Deutsches vermisst er angesichts der jungen Themen und Filmemacher.

Dass deutsche Filme heute als solche immer weniger kenntlich seien, wird schon durch die Nominierungen zum Deutschen Filmpreis wiederlegt: Die Auseinandersetzung mit der zurückgebliebenen Trabantenstadt-Tristesse der untergegangenen DDR (Esther Gronenborns „alaska.de“), mit 68ern, deutschem Herbst (Christians Petzolds „Innere Sicherheit“) und faschistoiden Verhaltensmustern in der Gruppe (Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“) oder Tom Tykwers Psychiatrie-Schmonzette „Der Krieger und die Kaiserin“ sind auf eine Art und Weise deutsch, die zumindest eines garantiert sichtbar macht: den Zusammenhang der Stimmungen und Stoffe und das Wiedererkennen im Hier und Jetzt.

Dass die heutigen Regisseure von ihren heimischen Zuschauern weitaus besser verstanden werden, ihre Filme die Grenzen ins Ausland aber nur in wenigen Ausnahmefällen überschreiten – dieses Grundproblem haben neben Rohrbach auch Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin und alle seine preisverleihenden Vorgänger beklagt. Und dabei blieb es auch: Produktives Handeln, überzeugende Gegenentwürfe gar waren und sind keine zu erkennen.

Der Staatsminister beschwört allenfalls noch einmal die Tragödie von Cannes, wo seit acht Jahren kein deutscher Beitrag mehr im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele gesichtet wurde, und spricht gerne diffus von „großartigen jungen Talenten“. Den Redenschreibern und Referenten des gelernten Philosophen kann man übel nehmen, dass sie Nida-Rümelin immer noch Sätze wie „natürlich ist es illusorisch, zu versuchen, den US-amerikanischen Film global zurückdrängen zu wollen“ sagen lassen.

Zuletzt scheiterte mehr oder weniger glorreich Nida-Rümelins Vorgänger Michael Naumann mit seinem Bündnis für den Film. Und die Export-Union, jene hochsubventioniert ineffektive Drückerkolonne für deutsches Kino in aller Welt, ist immer noch nicht reformiert.

Antworten auf diese und andere Miseren ausgerechnet von der Bundespolitik zu erwarten wäre ohnehin illusorisch. Die Vorstellung, das kryptische System von Filmförderung und -finanzierung in Deutschland bundeshoheitlich neu zu regeln und wegweisend für die finanziell viel wichtigeren regionalen Fördermodelle zu wirken, ist nett, aber falsch.

Bayern und Nordrhein-Westfalen, in Sachen Film und Fernsehen seit einem Jahrzehnt im Konkurrenzneid erstarrt, nutzen ihre ansehnlichen Filmfördertöpfe für schamlose Standortpolitik – und die anderen Bundesländer machen es ihnen nach.

Kultur – und damit auch Filmförderung – ist und bleibt in erster Linie Ländersache.

Nun meinen manche Produzenten wieder einmal den wahren Feind des deutschen Films ausgemacht zu haben: Es ist – das Fernsehen. „Das Fernsehen hat sich den Film zur Beute gemacht und deklariert dies in fröhlicher Unverschämtheit seit Jahren als Mäzenatentum“, schreibt Rohrbach im schon erwähnten Spiegel-Beitrag. Damit umreißt er sicherlich die Dauerproblematik des Mäzenatentums, lenkt aber von den eigentlichen Beweggründen ab: Deutschlands Produzenten sind wach geworden. Wacher zumindest. Die mehr als zwei Jahrzehnte gültige Machtverteilung zwischen Sendern und Produzenten ist aufgekündigt, die Produzenten fordern mehr Einfluss.

Zu Recht, wie die Entwicklung in anderen, erfolgreicheren europäischen Filmnationen zeigt. Und mit reichlicher Verspätung, was zeigt, wie gemütlich das alte Verhältnis gewesen sein muss. Erst als die Starre der etablierten Produzentenverbände geradezu wehtat, gründete sich Film 20, eine Interessenvertretung der führenden Film- und Fernsehproduktionsunternehmen, um ernsthaft Lobbyarbeit zu betreiben. Seit dem Schulterschluss zur Berlinale 2001 orientiert man sich jetzt: Über den Tellerrand geht der Blick nach Großbritannien und Frankreich, wo Sender Abnahmegarantien für unabhängige Produktionen geben müssen und die Ausstrahlungsrechte nach kurzer Zeit an die Kino-Produzenten zurückfallen. In Deutschland kann das je nach gesetzlicher Grundlage sieben Jahre oder länger dauern. Und so traf man sich bei Film 20 am Vortag des Filmpreises zur ersten internationalen Konferenz und forderte Nutzungsrechte, die den Interessen der Produzenten gerecht werden.

Vielleicht ermutigt sie ja eine Meldung aus New York: Da hat Regisseurautorenproduzent Mel Brooks gerade einen alten Film von sich mehr als erfolgreich zum Broadway-Kassenschlager umgestrickt: „The Producers“.

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