Der Fortsetzungsroman: Kapitel 6: Das Vorstellungsgespräch
Was bisher geschah: Die Fotografin Jenny ist ausgeraubt worden und sucht dringend einen Job.
Einen Job? Wie meinst du das, Helotin?“ Der kleinere Laborkittel hüstelte.
„Wie ich das meine?“, fragte Jenny. „Ihr habt einen Copyshop eröffnet, und ich will für euch arbeiten. Dafür kriege ich Geld von euch. Kohle, Kies, Penunze, die Marie.“
„Marienkult“, flüsterte der größere Laborkittel seinem Kollegen zu. „Davon habe ich gelesen. Kohle und Kies, das sind alles Anrufungen des Namens Gottes.“ Zu Jenny sagte er: „Wir brauchen niemand. Wir sind ein abgestimmtes Team von hochqualifizierten Spezialisten. Jeder hat seinen Platz, jeder hat seine Aufgabe.“
Aus dem Hintergrund war eine Stimme zu hören: „Verfluchter Faltenwurf, so ein Rock ist ja lebensgefährlich. Warum muss es auch ein Familienunternehmen sein? Muss ich jetzt nur noch trippeln?“ Eine alte Frau trat in den Raum. Sie hielt einen Gehstock in der Hand und trug eine geblümte Bluse und einen braunen Rock. Ihr graues Haar war zu einem Dutt hochgesteckt. Auch trug sie eine Sonnenbrille.
„FP Chi, wir haben Besuch“, sagte der kleinere Laborkittel. Die alte Frau fuhr herum, dann lächelte sie.
„Guten Tag, freundliche Helotin“, sagte sie. „Willkommen in unserem harmlosen und unauffälligen Familienunternehmen. Seit vielen hundert Jahren schon wird die Kunst des Käsefondues … quatsch, die Kunst des Kopierens von Generation zu Generation weitergereicht. Mein Name ist Heidi-Oma, und das sind meine beiden Enkel Professor Phäno“, der größere Laborkittel deutete eine Verbeugung an, „und Professor Median.“ Der Kleinere nickte eifrig. „Beide sind jederzeit bereit, Ihre Bedürfnisse auf schnellstem Weg zu erfüllen. Alle unsere Speisen … Kopien werden nach altem Rezept frisch zubereitet. Deswegen kann es auch einmal ein bisschen länger dauern.“
„Ihr habt doch alle ein Rad ab“, sagte Jenny zu der alten Frau.
„FP Chi.“ Ein Mann mit verstrubbelten dunklen Haaren trat vor. Auch er trug eine Sonnenbrille, dazu einen knallroten Overall. „Ich habe den Kopierer jetzt ans Raumschiff angeschlossen. Wenn wir pro Tag nicht mehr als dreißig Kopien machen, wird uns die Energie schätzungsweise zwei Jahre reichen.“
„Der Erste Maat mal wieder“, ließ sich Professor Median vernehmen.
Heidi-Oma oder FP Chi oder wer auch immer schüttelte den Kopf und deutete mit dem Gehstock auf Jenny. „Wir haben Besuch. Eine Kunden-Helotin.“
„Ups“, sagte der Mann im roten Overall.
„Jaja“, sagte die alte Frau. „Und das ist mein Großneffe, Reto. Unser Mechaniker. Er hat eine blühende Fantasie.“
„Ein Raumschiff“, sagte Jenny. Die vier Gestalten standen reglos. „Ihr seid Außerirdische.“ Reto nickte einmal.
„In geheimer Mission auf der Erde gelandet.“ Diesmal nickte Professor Phäno.
„Und der Laden hier ist eure Tarnung.“ Heidi-Oma knurrte irgendetwas, und Professor Median nickte.
„Wie gesagt, ich brauche einen Job“, sagte Jenny. „Vielleicht können wir ja doch ins Geschäft kommen. Ich kann sehr verschwiegen sein, wenn es sein muss. Und eine Sonnenbrille habe ich zuhause, falls das zur Dienstkleidung gehört.“
„Ach, das ist nur, weil wir aus der Strobo…“, setzte Reto an, aber Heidi-Oma knallte ihm den Gehstock auf den Fuß.
„Ich kann natürlich auch meinen Bekannten anrufen, der bei einer großen Tageszeitung hier in der Stadt arbeitet. Dann wissen alle, dass ihr da seid.“ Sie zückte ihr Handy. Ihr war der Schweiß ausgebrochen. Jedenfalls stank sie mit einem Mal durchdringend nach Schnaps. Als hätte sie nie geduscht.
Professor Median knirschte mit den Zähnen. „Eliminieren. Wir müssen das Heloten-Weibchen eliminieren.“
„Salus Buschkozin“, sagte eine Stimme hinter Jenny. Sie war knarzig und unsicher, und Jenny begriff, dass der Schnapsgestank nicht von ihr kam. In der Tür des Copyshops stand ein vierschrötiger Mann in Bomberjacke und sehr kurzen Haaren. Mit der einen Hand wedelte er mit einem Zettel, mit der anderen Hand hielt er eine Hundeleine fest, an deren anderem Ende ein dicker, fetter Kampfhund hockte und hechelte. Der Teacup Chihuahua öffnete die Augen. Sie leuchteten blau.
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