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Der Fall Föderl-SchmidÜbers Ziel hinausgeschossen

Abschreiben ohne Kenntlichmachung ist nicht schön, aber auch nicht dramatisch. Der Fall der „SZ“-Vizechefin hat einige Eskalationsstufen zu viel.

Das Vorgehen der „Süddeutschen Zeitung“ ist auf mehreren Ebenen nicht nachvollziehbar Foto: Thomas Einberger/imago

Journalismus beruht eigentlich auf der grundsätzlichen Verabredung aller Beteiligten, dass keine Birnen mit Äpfeln verglichen werden. Das bringt keine Erkenntnis, verwirrt am Ende nur und zerstört langfristig diese gemeinsame Geschäftsgrundlage. Die vergangene Woche war ein Musterbeispiel dafür. Da verschmolzen bei der Süddeutschen Zeitung eine schon länger schwelende Geschichte über die eher ungeschickte und vor allem überdimensionierte Suche nach einem Leck in der eigenen Redaktion (Wirkung) mit Vorwürfen gegen die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid (Anlass).

Die Stimmung war angespannt. Denn der Branchendienst Medieninsider hatte schon Ende 2023 länglich aus SZ-Redaktionskonferenzen zitiert, wo über die Konsequenzen darüber diskutiert wurde, dass der Medieninsider schon vorher aus Konferenzen zitiert hatte, wo über angeblich nicht gekennzeichnete Zitate von Vizechefin Föderl-Schmid gesprochen worden war, die der Medieninsider der SZ vorgeworfen hatte.

Das ist einerseits ganz hübsch, weil so endlich mal wieder das gute alte Plusquamperfekt zum Einsatz kommt. Gleichzeitig ist es aber auch misslich, weil die SZ hier ein bisschen Harakiri der Gegenwart betrieben hat. Bei den von Medieninsider monierten Artikeln ging es um Erklärtexte von Föderl-Schmid, unter anderem um die sogenannte Charta der Hamas und das jüdische Simchat-Fest, und die in Rede stehenden Passagen stammen von Websites wie der des Jüdischen Museums Berlin oder der Bundeszentrale für politische Bildung. Dies sind Institutionen, die ausdrücklich wünschen, beziehungsweise dazu da sind, dass ihre Inhalte und Erkenntnisse große Verbreitung finden.

Wenn Föderl-Schmid nun ein paar Sätze mit Hintergrundinformationen zum Simchat-Fest beim Jüdischen Museum abschreibt und das nicht richtig kenntlich macht, ist das doof. Sollte einer Chefredakteurin besser nicht passieren – hat sie selbst auch mit der notwendigen Zerknirschung eingeräumt. Es ist aber kein Weltuntergang. Und daher erst recht keine augenblickliche Implosion ihrer journalistischen Integrität.

Suche wie nach den Panama Papers

Auch nicht, wenn sich Mediendienste und ihre Jour­na­lis­t*in­nen darüber lustig machen. Problematisch wird es, wenn die SZ deswegen nach einem Maulwurf sucht wie nach den Panama Papers. Das schießt deutlich übers Ziel hinaus und zeugt von einer höchst ungesunden Nervosität in den eigenen Reihen. Ja, Redaktionskonferenzen und dergleichen fallen unters Redaktionsgeheimnis. So weit die Theorie, die Praxis sah schon immer ein bisschen anders aus. Das Problem liegt aber woanders: Was ist das für eine Stimmung und Haltung in einem Laden, wenn dort alles in angeblich voller Länge nach draußen gereicht wird? Und der dann mit zu Recht umstrittenen Aktionen wie dem Massenabgleich von IP-Adressen reagiert?

Die zweite Eskalationsstufe folgte mit so gezielten wie plumpen Pseudoenthüllungen von Julian Reichelts Weborgan Nius. Das tat sich mit dem österreichischen Plagiatsprüfer Stefan Weber zusammen. Weber monierte einige Passagen aus Föderl-Schmids Zeit als Israel-Korrespondentin der SZ. Beispiel: Die Welt schrieb laut Weber am 9. 11. 2017: „Militärische Kooperation zwischen Deutschland und Israel ist kein Novum. Deutsche Drohnen- und Hubschrauberpiloten werden in Israel ausgebildet. Allein 2017 fanden 80 gemeinsame Projekte zwischen beiden Armeen statt.“ Und in der SZ stand am 15. 11. 2017: „Bereits seit Jahren kommen Drohnen- und Hubschrauberpiloten der Bundeswehr nach Israel zur Ausbildung. Die militärische Kooperation ist ohnehin rege: Allein 2017 fanden 80 gemeinsame Projekte zwischen beiden Armeen statt.“

Zu vermuten ist, dass die Angaben aus einer offiziellen Erklärung der Armeen stammen. Und wenn Jour­na­lis­t*in­nen solche „Waschzettel“ auswerten, kann sich das eben ziemlich ähnlich anhören. Weber ist die Dünnheit seiner Belege bewusst, weshalb er zudem meint, hier sei vielleicht Agenturmaterial mit im Spiel, aber nicht gekennzeichnet. Was es im Übrigen auch nicht werden muss. Der Rest der Beispiele ist von ähnlicher Güte.

Dass Föderl-Schmid deshalb trotzdem ihren Che­f*in­nen­job ruhen lässt – auch weil der von Reichelt bezahlte Weber ihre Doktorarbeit von 1996 durchflöht – macht keinen Sinn. Sie selbst hat ihre Universität um eine eigene unabhängige Prüfung gebeten. Wie die österreichische Historikerin Barbara Tóth am Freitag im Falter schrieb, ist auch hier kein substanzieller Verstoß gegen akademische Regeln zu erwarten. Die, nur mal zur Erinnerung, auch nicht deckungsgleich mit journalistischen Regeln sind.

Redaktionelle Indiskretion

Dafür enthüllt Tóth einen interessanten Disclaimer Webers, der an derselben Uni studierte und Beef mit Föderl-Schmids Doktorvater hatte – laut Weber seinen „ersten schwerwiegenden wissenschaftlichen Konflikt überhaupt“. Ein von Weber bevorzugter Professor dagegen musste gehen. Und es wurde „der bekennende Neomarxist Manfred Knoche berufen. Im Anschluss übernahmen die bundesdeutschen Cultural und Gender Studies die Macht“, so Weber. Womit immerhin klar ist, dass Weber und Reichelt prima zusammenpassen.

Weniger klar ist, warum die SZ trotzdem eine hochkarätige Prüfungskommission mit der Überprüfung der gegen die SZ gerichteten Behauptungen beauftragt. Auch hier schießt sie wieder über das Ziel hinaus. Wer dort auch noch Ex-Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann, der eben erst mit dem Fall des von Russland teilfinanzierten Journalisten Hubert Seipel einen echten Skandal prüfte und bei dem immer ein Hauch Relotius mitschwingt, zum Leiter macht, gibt den Affen auch noch Zucker.

Und was ist mit den redaktionellen Indiskretionen, die am Anfang der ganzen Sache stand? In der guten alten Zeit gab es einen geregelten Ablauf für kontroverse Mitarbeitendenversammlungen beim NDR. Senderleitung und Re­dak­teu­r*in­nen gaben sich was auf die Mütze, und hinterm Sofa lag ein taz-Mensch und schrieb mit. Veröffentlicht wurde aber nur, was wirklich relevant und interessant war.

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8 Kommentare

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  • Es sollten hier gleiche Maßstäbe für alle gelten.



    Was hat man bei Schavan und Guttenberg die Sache kleingeredet und bei Giffey haarscharf analysiert.



    Und bei Weidrl? Da wurde einfach drüber hinweggeschaut.



    Es scheint hier ein Muster zu geben

    • @Demokrat:

      Schavan, Guttenberg oder Koch-Mehrin haben ihre Ämter verloren und ihre politische Karriere ist vorbei. Trotz tatsächlichem oder angeblichem "Kleinreden".

      Während die "arme Frau Giffey" nach wie vor in Amt und Würden ist. Zwar nicht in dem Amt, das sie hatte, als die Debatte um ihre Diss begann, aber sie ist nach wie vor "gut im Geschäft".

      Und zur ihrem Fall gehört auch die Ungeheuerlichkeit, daß ihre Doktormutter anfangs sogar problemlos in das Gremium berufen werden konnte, das die Arbeit prüfen sollte. Die Betreuer der kritisierten Arbeiten sind ja bisher immer heil aus den Affären herausgekommen, was auch nicht für den Wissenschaftsbetrieb spricht. "Kleinrederei" sehe ich eher dort.

      Was Frau Weidel angeht: Haben Sie die Arbeit gelesen und die kritisierten Stellen geprüft?

      Eventuell ist an den Vorwürfen ja auch nichts dran, ähnlich, wie bei Frau Föderl-Schmid.

      Ich denke, es ist an der Zeit, die Aussagen der selbsternannten Plagiatsjäger zunächst gründlich zu prüfen, bevor man als Journalistin oder Journalist ein Faß aufmacht. Dann hätte der Fall Föderl-Schmid doch noch etwas Gutes bewirkt.

      Und das einzige "Muster", das ich erkenne, ist Ihre Neigung, Kungelei nur bei den Personen zu vermuten, deren politische Richtung sie nicht teilen.

      • @ PeWi:

        Nunj,a bei Giffwy haben sich ja die Vorwürfe tatsächlich als nicht so schlimm herausgestellt.



        Also eher ein plagiätchen. Daher ist Sie zurecht noch in amt.



        Ich meinte eher, ass sich damals die Kanzlerin sogar hinter Guti gestellt hat, undie plagiatsjäger trotzdem sich durchsetzen konnten.

        • @Demokrat:

          "Plagiätchen"? Na, ich weiß nicht. Es mag nicht so schlimm gewesen sein, wie bei Guttenberg, aber sie hat ihren Doktortitel verloren und trat als Bundesbildungsministerin zurück.

          Die erste Kommission, die ihre Arbeit geprüft hatte, wurde zwar vor allem wegen der Befangenheit der Prüfenden kritisiert, aber offenbar hat ja die "zweite Runde" ergeben, daß die Verstöße doch schlimmer gewesen sind, sonst hätte sie den Titel noch.

          Merkel mag sich im Fall Guttenberg falsch verhalten haben, aber daß die SPD sich gegenüber Frau Giffey so verhält, als sei nie etwas gewesen, kann man durchaus kritisch sehen.

          • @ PeWi:

            Ich mache das sehr selten, aber Sie haben mich durch Argumente überzeugt.



            Danke für die doch fundierte Argumentation.



            Vielleicht hatte ich hier tatsächlich Scheuklappen auf.

  • Vielen Dank für den sehr informativen Artikel.

    Viel Lärm um Nichts, und man kann nur hoffen, daß auch andere diese Informationen zur Kenntnis nehmen, auf daß die "Reputation" des selbsternannten Plagiatsjägers ordentlich ramponiert werde.

    Scheint ja nicht nur rechtsdrehend, sondern auch ziemlich überheblich zu sein, letzteres aber wohl eher grundlos.

  • Dem vorletzten Satz könnte sich Tom mal annehmen :)

  • Ach was! ©️ Vagel Bülow 💯~~~ste

    Booey. Was eine selten seltsame SandkastenAnsammlung von



    Schäuflchenbewerten - in kurzem Beinkleid im Klappergefecht •

    kurz - Ja gilt auch gern im juristischen =>



    “A macht B in die Hose - C schaut zu!



    Wer hat recht?!“