RALF LEONHARD/EL SALVADOR–NICARAGUA : Der Exguerillero
Carlos Henríquez Consalvi, alias Santiago war den meisten Salvadorianerinnen und Salvadorianern als Stimme der Revolution vertraut. Elf Jahre lang leitete er in den Bergen von Morazán den Guerillasender Radio Venceremos. Unzählige Geschichten und Anekdoten ranken sich um den Untergrundsender, denn der Venezolaner Consalvi, der Journalismus studiert hat und sich als Künstler versteht, beschränkte sich nicht auf das Verlesen martialischer Kriegskommuniqués. Vielmehr versuchte er seinen Hörern in den Dörfern auch Unterhaltung durch Musik und Kabarettprogramme zu bieten. Noch bevor es Journalisten gelang, zum Tatort vorzudringen, konnte der Sender auch über das berüchtigte Massaker von El Mozote im Dezember 1991 berichten, bei dem die Armee die Bevölkerung eines ganzen Dorfes abschlachtete.
Als taz-Korrespondent in Mittelamerika lernte ich ihn als faszinierenden Gesprächspartner im Zuge einer Recherche über die Transformation der Guerillamedien kennen. Damals versuchte er nach dem Friedensabkommen vom Januar 1992, aus Radio Venceremos ein pluralistisches und spannendes Projekt zu machen. Dass er den Abstieg seines Radios zum Kommerzsender nicht mitmachen wollte, spricht für ihn. Jetzt hat der ehemalige Journalist Consalvi das Museum von Wort und Bild gegründet. Im Laufe der Jahre wurde dort ein einmaliges historisches Archiv angehäuft. Dabei geht es nicht nur um die kriegerische Vergangenheit, sondern auch um Kultur oder Naturkatastrophen, von denen das Land regelmäßig heimgesucht wird. Das Museum trägt seine Artefakte, Bild- und Tondokumente im Rahmen von Wanderausstellungen immer wieder in die Provinz.