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■ DaumenkinoDer Dieb

Zu Beginn läuft eine junge Frau durch die weite Steppe. Es geht ihr nicht gut; sie schwankt ein wenig und schwitzt vor Schmerzen, dann gebiert sie ein Kind, wie es gut ist am Anfang von Filmen: eine klassische Eingangsszene.

Später, im Herbst 1952, sieht man die junge Mutter, Katya, mit ihrem sechsjährigen Sohn Sanya in einem Zug durch unbestimmte Weiten fahren. Tolya, ein attraktiver junger Mann im Offiziersmantel, setzt sich ins Abteil von Mutter und Sohn. Blicke begegnen sich, Hände berühren sich, Liebe wird im Zug gemacht. Der Sohn blickt derweil aus dem Zugfenster, wo er im Nebel seinen leiblichen Vater zu sehen wähnt.

In einer kleinen Provinzstadt finden die drei ein Zimmer in einer volkseigenen Mietskaserne mit ganz eigenen, lebhaften Menschen: Eine Frau trinkt ganz gerne, eine andere lehrt das Akkordeonspielen; schön und eitel ist ein blonde Schauspielerin, herzensgut die dicke Vermieterin, schüchtern geben sich die älteren männlichen Wohnungsnachbarn.

Tolya liebt Katya und verlangt von Sanya, daß er ihn Vater nennt. Im Angedenken an seinen wirklichen Vater wehrt sich Sanya, auch wenn er beeindruckt ist vom männlichen Gebaren seines strengen Ersatzvaters. Der hat eine Stalintätowierung und neigt zu darwinistischen Lebensprinzipien: „Wer nicht will, der wird zerquetscht.“

Die durchaus ambivalente Familiensituation verändert sich, als rauskommt, daß Tolya gar kein Offizier, sondern ein Dieb ist, der seine netten Nachbarn in den Zirkus einlädt, um in ihrer Abwesenheit ihre Wohnungen auszuräumen. Schön ist das nicht, findet Katya, doch verläßt sie ihren neuen Mann nicht. So ziehen die drei umher und berauben gute Menschen. Als Tolya auch den kleinen Sanya zum Mithelfer macht, will ihn Katya verlassen. Doch da wird der falsche Offizier von echten Beamten verhaftet und ins Lager gebracht. Katya stirbt an den Folgen einer Abtreibung; Sanya kommt ins Waisenhaus. Jahre später trifft er seinen „Vater“ zufällig wieder. Der, immer noch ein Dieb, lehnt seinen „Sohn“ ab. Sanya erschießt ihn unter Tränen.

Dies alles ist auch symbolisch gemeint. Pavel Chukhrai, der 1956 geborene Regisseur, dessen Werbefilme 1996 in Cannes preisgekrönt wurden, sagt: „Mein Film handelt von der Kindheit jener Generation, die in unserer Zeit die Geschicke des Landes beeinflußt.“ Eine verratene Generation von Waisen, die vom Ziehvater (Stalin) betrogen wurde. Dessen Ermordung wird nicht zur emanzipatorischen Tat, die von der Macht der Vergangenheit befreit, sondern zur bedrückenden Schuld. Als schlechtes Gewissen lebt der Vater fort. Kein Wunder, daß man dann traurig-nihilistisch wird und gottverlassen. Detlef Kuhbrodt

„Bop – der Dieb“, Rußland/ Frankreich 1997, 97 Min.

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