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Robert Habeck testet Bullshit-Floskel Schwäbische Hausfrau

Robert Habeck testet Standards des politischen Sprechens. Heute: Schwäbische Hausfrau. Was taugt dieser Begriff für das Verständnis der Gegenwart?

September 2024: Robert Habeck bei einem gemeinsamen Termin mit einer Person, die ihre innere schwäbische Hausfrau nur selten zu beherrschen verstand Foto: picture alliance/dpa/Carsten Koall

taz FUTURZWEI | Der Satz der Altbundeskanzlerin (Angela Merkel, Anm. d. Red.), eine schwäbische Hausfrau wisse, dass sie nur das Geld ausgeben könne, das sie habe, ist bekannt. Das Problem mit diesem Satz ist: Er stimmt nicht. Gleich mehrfach nicht. Zum einen wäre die schwäbische Hausfrau keine Haus-frau, wenn sie keins hätte (sicher, es gibt auch Hausfrauen und inzwischen sicherlich auch Hausmänner, die in einer Mietwohnung leben, aber ich nutze mal den schwäbischen Spruch: Schaffa, schaffa, Häusle baua …).

Und wie wird sie ein Haus gebaut oder erworben haben, wenn sie kein Vermögen geerbt hat? Vermutlich mit einem Kredit. Und ihre Tochter, die vielleicht nicht Hausfrau werden möchte, sondern ein Unternehmen gründen will, wird dafür ebenfalls einen Kredit aufnehmen. Das ergibt auch ökonomisch Sinn, solange die späteren Verdienste und Einnahmen höher sind als die Tilgung plus Zinsen. Genau das gilt auch für Deutschland (auch wenn ein Privathaushalt natürlich nicht dasselbe wie ein Staatshaushalt ist).

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Aber nun braucht das Haus ein neues Dach. Wird die schwäbische Hausfrau warten, bis es einstürzt, weil sie nur Geld ausgibt, das sie hat? Nein, sie wird sich zur Not Geld leihen. Für das Haus Deutschland plädieren BDI, EZB, OECD, Bundesbank und die überwältigende Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen für eine zeitgemäße Anpassung der Fiskalregeln.

Schuldenbremse

Es stellt sich die Frage, ob wir tatsächlich glauben, dass wir die Dacharbeiten und alle anderen Investitionen mit den Spielregeln einer Zeit bewältigen können, in der wir bei Weitem nicht genug investiert haben.

Im Jahr 2009, nach der Weltfinanzkrise 2007/08, die von Regierungen auf der ganzen Welt durch die Rettung der Banken und durch umfangreiche Konjunkturprogramme bekämpft wurde, wodurch der Schuldenstand nach oben getrieben wurde, auch in Deutschland, wurde die Schuldenbremse ins Grundgesetz und in die Verfassungen der Bundesländer geschrieben.

Sie regelt im Kern die Haushaltsführung von Bund und Ländern und besagt, vereinfacht formuliert, dass Einnahmen und Ausgaben in Normalzeiten in Übereinstimmung zu bringen sind. Viele waren damals der Meinung, dass das richtig sei. (Die Grünen im Bundestag stimmten allerdings dagegen.)

Erwartung an die Politik

Auch ich meine, dass es richtig ist, sorgsam mit staatlichem Geld umzugehen, nicht mit Konsum-Ausgaben zu aasen und die Schuldenlast für die künftigen Generationen nicht überbordend werden zu lassen. Es geht für mich deshalb nicht darum, die Schuldenbremse oder die europäischen Fiskalregeln abzuschaffen, sondern sie an die neue Zeit und ihre Erfordernisse anzupassen.

Der politische Kern der Debatte ist also: Ist das, was im Jahr 2009 vielen richtig erschien, heute noch richtig? Heute sehen wir in Deutschland, dass die Entschuldung der öffentlichen Haushalte zu einer Schuld beim Zustand von Bahn und Brücken, Bildungseinrichtungen, Bundeswehr und Digitalisierung geführt hat. Sicher, es gibt zu Recht die Erwartung, dass die Politik sorgsam und sorgfältig wirtschaftet. Dass sie Ausgaben kritisch prüft.

Denn dieses Geld stammt von den Bürgerinnen und Bürgern, sie kommen mit ihren Steuern und Abgaben dafür auf. Vor dieser Aufgabe darf sich Politik nicht drücken. Aber man darf sich auch nichts vormachen: Wenn es konkret wird, wird es schwierig, und ich bezweifle, dass sich alle, die das Wort „priorisieren“ – Politsprech für „sparen“ – im Munde führen, vor Augen halten, was das heißt. (…) Die Schuldenbremse war die Antwort auf ein Problem in der Vergangenheit. Jetzt verhindert sie die Antwort auf ein anderes Problem in der Gegenwart.

Der Text von Robert Habeck erschien, bevor Friedrich Merz (CDU) seine Wahlkampf-Erklärungen vergaß und Habecks Position übernahm.

■ Dieser Artikel ist im März 2025 in unserem Magazin taz FUTURZWEI erschienen. Wenn Sie zukünftig regelmäßig Leser:in von taz FUTURZWEI sein wollen, sichern Sie sich jetzt das Abo für nur 34 Euro im Jahr. Lösungen für die Probleme unserer Zeit – alle drei Monate neu in ihrem Briefkasten. Jetzt bestellen!