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Der Berliner Wochenkommentar IIKein Gefühl für Gefühle

Kommentar von Stefan Alberti

Auf die geplante Märkische Kreisgebietsreform reagieren viele Brandenburger emotional. Das kann man gut nachvollziehen.

Schön anzusehen, aber im bürokratischen Alltag schwierig zu bewältigen: Brandenburger Weite. Foto: dpa

R ein zahlenmäßig ist das alles nachvollziehbar, was die rot-rote Brandenburger Landesregierung plant und was auch die heute oppositionelle CDU vor Jahren noch für gut zu halten schien: Angesichts sinkender Einwohnerzahlen im von der Fläche her größten ostdeutschen Bundesland, auch die Zahl von Behörden und Verwaltungsstellen zu verringern. Derzeit gibt es noch annähernd 2,5 Millionen Brandenburger, 2030 sollen es nur noch rund 2,25 Millionen sein, von denen sich immer mehr im boomenden Potsdam und im sonstigen Berliner Umland ballen.

Rein zahlenmäßig liegt es dann nahe, aus bislang 14 Kreisen und ihren Verwaltungen 11 zu machen und die bislang kreisfreien Städte Brandenburg, Cottbus und Frankfurt ihrem Umland zuzuschlagen. Sonst müssten immer weniger Einwohner gleichviele Beamte bezahlen.

Rein zahlenmäßig ein Land und seine Einwohner zu betrachten, lässt aber die Gefühlslage außer acht. Es sind ja nicht nur die auch jetzt schon nicht immer kurzen Wege zur zuständigen Behörde, die nach der Reform länger würden, und wo man sagen könnte: Ins Auto setzen müssen sich die Leute auf dem Land sowieso oft, da sind dann 20 Kilometer mehr alle paar Monate auch keine große Sache.

Doch verschwindet die gewohnte Außenstelle der Behörde, hinterlässt das eben bei vielen Menschen ein Gefühl des Abgehängtseins. Ein Vor-Ort-Büro mit seinem Sachbearbeiter, so klein es auch sein mag, es symbolisiert den oft kritisierten, fern wirkenden Staat, gibt ihm ein Gesicht.

Mantra von der digitalen Zukunft

Ein Land ist eben mehr als ein mit Kennzahlen zu ­erfassender Betrieb

Viele Analysen des AfD-Wahlerfolgs in Mecklenburg-Vorpommern, einem Bundesland das ebenfalls mit sinkender Einwohnerzahl zu kämpfen hatte, zeigten, dass oft gerade solche Veränderungen die Leute der AfD in die Arme trieben. Auch das Mantra von der digitalen Zukunft ohne Behördengang hilft da nicht: Wer sich mit dem Computer ohnehin schwer tut, aber stets vorgekaut bekommt, dass das doch eigentlich alles so einfach sei, der fühlt sich gleich doppelt benachteiligt.

Um zu verhindern, dass Brandenburg zur „angeschlossenen Landschaftspflege“ von Berlin wird, wie es der frühere Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) mal ausdrückte, müsste eine Landesregierung die Leute vielmehr dafür belohnen, auch in abgelegenen Region wohnen zu bleiben, statt sie durch Behördenabzug und weite Wege zu bestrafen. Natürlich kostet das pro Kopf zunehmend mehr. Aber ein Land ist eben mehr als ein mit Kennzahlen zu erfassender Betrieb – seine Seele zu pflegen, hat seinen Preis.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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