■ Der Atomunfall in Japan und seine Folgen in Deutschland: Bei uns nicht möglich?
Wir unterhalten keine Beziehungen zur japanischen Atomindustrie“, sagte gestern der deutsche AKW-Betreiber PreussenElektra. Und Siemens gab zwar zu, dass sie in Lingen Uranbrennstoff herstellen wie die Japaner in Tokaimura, aber: „Ein Atomunfall ist in den Brennelement-Werken des Konzerns in Deutschland und den USA nicht möglich.“ Die Scheinheiligkeit der Atomindustrie ist an solchen Tagen also gut dokumentiert. RWE oder PreussenElektra würden noch wechselseitig jede „Beziehung“ untereinander abstreiten, wenn denn einmal Stade oder Biblis in die Luft fliegen sollte. Dann würde es nicht mehr heißen „deutsche Atomanlagen sind sicher“, sondern eben „hessische“ oder was auch immer nötig ist, um den Profit zu sichern.
Wir wollen aber nicht hämisch sein an solch einem schweren Tag für die deutsche Atomindustrie. Schließlich hat sie in den letzten Monaten erfolgreich die Bundesregierung im Allgemeinen und den grünen Atomminister im Besonderen propagandistisch richtig schön niedergewalzt. Der Bundeskanzler wollte noch nicht einmal ein bisschen Schadenersatz riskieren, um endlich eine Perspektive für den Atomausstieg auszuhandeln; Trittin wurde zum Wahlkampfrisiko für seine Partei. Und nun das: verstrahlte Arbeiter und evakuierte Wohnungen an einer Uranfabrik in einem High-Tech-Land wie Japan.
Die Atomindustrie wird sich natürlich wie immer von neuem ans Massieren der öffentlichen Meinung machen. So war es nach der Fast-AKW-Schmelze von Harrisburg, Tschernobyl oder auch nach den verstrahlten Castor-Transporten 1998. Sie bezahlen ja genug Experten, vergeben genug Pöstchen für Politiker und sind auch ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor.
Die Frage ist eher, wie können Trittin und die grüne Partei die Situation ausnutzen? Der Minister gab sich gestern gemäßigt, wollte die entsprechenden deutschen Anlagen prüfen und bemerkte ganz richtig, dass der Unfall in Japan bei weitem nicht so schlimm wie damals in Tschernobyl sei. Er kann auch gar nicht Zeder und Mordio schreien – weil er weiß, dass ihm Schröder dann wieder in den Rücken fallen würde. Trittin kann nur hoffen, dass die Anti-Atom-Bewegung mehr Druck von der Straße macht und so seine Position im Kabinett und bei den Verhandlungen mit den Stromkonzernen stärkt. Nie war der Protest so wertvoll wie heute, vor allem für Jürgen Trittin. Reiner Metzger
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