Der Architekt der Osloer Oper über gute Planung: "Der Öffentlichkeit etwas zurückgeben"
Die Osloer Oper wurde schneller fertig - und billiger als geplant. Warum das möglich war, erklärt Simon Ewing vom verantwortlichen Architekturbüro Snøhetta.
taz: Herr Ewings, Sie haben vier Jahre an der Osloer Oper gebaut und waren früher fertig als geplant. Um wie viel?
Simon Ewings: Die Oper wurde12. 4. 2008 eröffnet. Das war rund ein halbes Jahr "zu früh".
Warum war das möglich?
Vor allem aufgrund guter Planung. Die staatliche Projekt- und Entwicklungsgesellschaft Statsbygg - vergleichbar der Hamburger Realisierungsgesellschaft Rege für die Elbphilharmonie - war sehr gut organisiert und hat präzise Zeit- und Geldbudget berechnet und kontrolliert. Zudem hatten alle Vertragspartner - sowohl wir als Architekten als auch die Subunternehmer von Statsbygg- das Ziel, rechtzeitig fertig zu werden.
Wie war die Vertragskonstruktion?
Wir als Architekturbüro hatten einen Vertrag mit der Entwicklungsgesellschaft Statsbygg - wie in Hamburg die Architekten Herzog & de Meuron mit der Rege.
44, ist Architekt und seit 2001 Projektmanager beim Architekturbüro Snøhetta. Er war federführend für Entwurf und Bau der Osloer Oper verantwortlich. Snøhetta, das unter anderem die neue Bibliothek von Alexandria baute, wurde 2009 mit dem Mies van der Rohe-Preis für europäische Architektur geehrt.
Haben Sie als Architekten nachträglich teure Änderungswünsche angemeldet, wie man es Herzog & de Meuron vorwirft?
Nein. Wir haben unsere Planungen eingereicht, die dann ausgeschrieben wurden. Als wir die Angebote der Subunternehmer zurückbekamen, haben wir - mit Rücksicht auf das Budget - in einige Fällen billigere Lösungen gewählt.
Zum Beispiel?
Wir hatten geplant, etliche Bauteile vor Ort aus Beton zu gießen und exakt anzupassen. Als wir das im Detail ausrechneten, wurde uns klar, dass das zu teuer und zu zeitraubend sein würde. Wir haben uns also entschlossen, stattdessen vorfabrizierte Elemente zu verwenden.
Gab es auch Dinge, die teurer wurden als geplant?
Letztlich nicht; schließlich ist das Gebäude um ca. 36 Millionen Euro billiger geworden als geplant. Allerdings hatten wir einen finanziellen Puffer für Unvorhergesehenes - unter anderem deshalb, weil wir in einem Areal bauten, die seit dem Mittelalter besiedelt gewesen war. Man musste also mit archäologische Funde rechnen, was den Bau verzögern und verteuern würde.
A propos verteuern: War es Ihr Anspruch, den "weltbesten Konzertsaal" zu schaffen, wie es die Hamburger wollen?
Nun, niemand hat solch hehre Ausdrücke in den Mund genommen. Aber es war immer klar, dass dies ein Saal mit einer außergewöhnlich guten Akustik sein sollte.
Muss die zwangsläufig teuer sein?
Nein, denn man kann ja inzwischen alles am Computer simulieren. Der Saal der Osloer Oper besteht großteils aus Eiche - einem sehr guten Resonanzkörper. Im Detail ist aber jeder Handlauf, jede Linienführung, jeder Winkel exakt auf die akustischen Erfordernisse abgestimmt.
Hielt die Computer-Simulation, was sie versprach?
Sie übertraf unsere Erwartungen. Wir waren selbst erstaunt, wir gut nicht nur die Akustik, sondern das ganze Projekt funktionieren würde. Wir haben eine Platzauslastung von über 90 Prozent, was für eine Oper selten ist.
Worauf führen Sie das zurück?
Unter anderem darauf, dass wir die Oper als "Haus für alle" geplant haben. Sie ist mit Bedacht so konstruiert, dass man auf ihr bis zur Wasserkante entlangspazieren kann. Diese Option nutzen die Osloer gern; die Oper ist inzwischen zu einem Treffpunkt geworden, den die man auch unabhängig vom Konzert aufsucht.
Warum wollten Sie ein so explizit öffentliches Gebäude?
Das hat etwas mit der Rolle von Kultur in der Gesellschaft zu tun. Wenn man das Glück hat, ein hochwertiges öffentliches Gebäude für Kultur bauen zu können, kann man der Öffentlichkeit, deren Gelder es schließlich sind, auch etwas zurückzugeben. Der Gedanke, dass Kultur nichts Abgeschottetes, sondern etwas Öffentliches ist, passt übrigens gut zur norwegischen Sozialdemokratie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!