Der „Abramowitsch des Pferdesports“: Hier reitet der Chef noch selbst

Oleksandr Onischtschenko hat einen mehr als fragwürdigen Ruf. Trotzdem arbeiten auch deutsche Springreiter gerne mit ihm zusammen.

Zwielichtgestalt Onischtschenko auf „Valentino Velvet“ bei der Reit-WM 2014 im französischen Caen. Bild: dpa

BERLIN taz | Spätestens seit Katars Handballnationalteam bei der jüngsten WM mit Spielern aus aller Welt glänzte, weiß man, dass Sportler auch auf Länderebene munter den Arbeitgeber wechseln. Was den Pferdesport betrifft, so ist die Ukraine seit geraumer Zeit Vorreiter. Der dortige Verbandspräsident ist Oleksandr Onischtschenko, ein schwerreicher Mäzen. Ihn als schillernd zu beschreiben, wäre untertrieben.

„Roman Abramowitsch des Reitsports“ wird er auch genannt. Seit 2002 investiert er schließlich kräftig, unter anderem in deutsche Springreiter. Dass Onischtschenko einst einer kriminellen Vereinigung angehört haben soll, scheint seine Beschäftigten nicht weiter zu stören. René Tebbel, der Nationaltrainer, sagt etwa: „Ich kenne ihn schon seit ein paar Jahren und komme gut mit ihm zurecht.“

Der 46-Jährige ist seit Herbst 2013 für das Team verantwortlich und reitet seit Januar selbst wieder mit. Seine Rückkehr auf den Pferdesattel hat die Szene überrascht. Eigentlich hatte Tebbel mit der Reiterei abgeschlossen. Anfang Januar war der Weg vom Trainerjob in den Reitsattel dann doch kürzer als gedacht.

Nun soll der Emsbürener die ukrainische Mannschaft zu den Olympischen Spielen 2016 nach Rio coachen. Der Weg führt über ein Qualifikationsturnier und die EM in Aachen. Als Reiter dabei sind zwei weitere Deutsche: Katharina Offel, 38, und Ulrich Kirchhoff, 47, Doppel-Olympiasieger 1996 – für Deutschland. Offel wechselte 2005 in die Ukraine, Kirchhoff 2013. Auch ihnen unterbreitete Onischtschenko verlockende Angebote, zudem können sie weiterhin in Deutschland trainieren. So folgten sie, trotz des zweifelhaften Rufes ihres Arbeitgebers.

Der sah sich unter anderem 2007 dem Vorwurf der Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung durch belgische Behörden ausgesetzt. Sie beschlagnahmen (allerdings erst fünf Jahre später!) drei von Onischtschenkos Pferden. Der ehemalige Liebhaber von Martina Hingis dürfte das verkraftet haben, hat er doch das nötige Kleingeld für neue Pferdchen längst verdient. Auf vielen Wegen, etwa durch die Organisation von „Miss Ukraine“-Wahlen.

Prostituierte für Gaddafi-Sohn

Mit der Gewinnerin von 1997 war er verheiratet und auch anderweitig ist Onischtschenko ein echter Frauenversteher. So soll er VIP-Prostituierte an gut betuchte Männer vermitteln. Unter den Abnehmern hätte sich auch ein Sohn des alten libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi befunden. Berichtet jedenfalls die ukrainische Internetseite argumentua.com. Das investigative Onlineprojekt hat sich einen Namen damit gemacht, Missstände aufzudecken, über die sich die Mächtigen lieber ausschweigen.

Dazu gehört die vermutete Mitgliedschaft Onischtschenkos in der Kiewer Kissel-Bande. In den 90er Jahren, die Sowjetunion war gerade zerfallen, stieg sie in der Ukraine zu einer der größten kriminellen Gruppierungen auf, mit mafiösen Strukturen. Onischtschenkos Spezialgebiet war wohl die Schutzgelderpressung. Seine Machenschaften tätigte er unter seinem ursprünglichem Namen: Kadyrow. Ende der 90er plante er den Ausstieg und nannte sich konsequenterweise anders – aus Herrn Kadyrow wurde Herr Onischtschenko. Seine Mutter heißt so.

Mamas Name ist seit Herbst durch den umtriebigen Oleksandr erneut im ukrainischen Parlament vertreten. Doch auch da gibt es Ungereimtheiten. Ein Gericht wies Onischtschenkos Wahlunterlagen zweimal ab. Er halte sich zu selten in der Ukraine auf, begründete es. Beim dritten Anlauf klappte es merkwürdigerweise doch. Vermutet wird, dass der russische Geheimdienst interveniert hat und Onischtschenko im Parlament nun weniger die Interessen seines Wahlkreises, als vielmehr die Interessen Wladimir Putins vertritt.

Springreittrainer Tebbel kommentiert dies alles nicht. „Politik ist nicht meine Stärke“, sagt er. Und überhaupt habe er „viel mit dem Sport zu tun“. Für Kirchhoff gilt: Was den Chef betrifft, ist eben Chefsache. „Onischtschenko ist alt genug, um seine Dinge selbst zu regeln. Wenn wir uns unterhalten, dann übers Sportliche.“ Und im Sport, das muss man dem Ukrainer lassen, kennt er sich aus. Bei den Olympischen Spielen 2008 und 2012 ist er sogar selbst aufs Pferd gestiegen. Als Verbandspräsident fiel ihm die eigene Nominierung etwas leichter. Der große Erfolg blieb freilich aus. Solche Aktionen bringen die Sportler dann doch ins Grübeln.

„Ein mehr als schwieriger Mann“

Etwa Björn Nagel. 2006 erreichte er mit der Ukraine bei den Weltreiterspielen in Aachen einen überraschenden vierten Platz. Hauchdünn hinter Bronze-Gewinner Deutschland. Das sorgte für Aufsehen. Mittlerweile reitet er nicht mehr für Onischtschenko. „Oleksandr Onischtschenko ist ein mehr als schwieriger Mann, man weiß nie, woran man ist. Von jetzt auf gleich ändert er alles“, wurde er in einem Onlineportal für Pferdesport Ende 2014 zitiert.

„Aus den vorhandenen finanziellen Möglichkeiten ist unterm Strich zu wenig herausgekommen“, sagt Nagel auch heute noch gegenüber der taz. Nagel bemängelt Onischtschenkos fehlende Ruhe, wenn es ums Pferdegeschäft geht. Mangels eines stichhaltigen Konzepts sei der langfristige Erfolg ausgeblieben. Ansonsten ist Nagel aber schon wieder deutlich milder gestimmt: „Es war eine gute Zeit. Für den Reitsport ist Onischtschenko ein Gewinn.“ Man weiß eben nie, woran man ist, bei diesem Oleksandr Onischtschenko.

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