■ Der Abbau von Feindbildern gehört zum Frieden: Opfer gibt's auf beiden Seiten
Dem Spiegel entnehme ich, daß der taz-Rechtsberater die Redaktion angemahnt hat, Bullen doch weiterhin Bullen zu nennen.
Recht hat er. Natürlich würden wir unsererseits uns nicht erlauben, Terroristen Terroristen zu nennen oder Grenzsoldaten, die Menschen erschossen haben, Mörder; wir hätten wohl bald eine Klage des famosen Anwalts am Hals, der sie ja verteidigt. Für uns sind das allenfalls Angeklagte, und wir finden das ganz gut so.
Mein Mann wurde bei einer Demonstration zur Startbahn West lahmgeschlagen, er sitzt seither im Rollstuhl und hat mittlerweile aufgehört, mit Menschen zu reden, auch mit mir kann er nicht mehr sprechen: Dieser Prozeß begann damit, daß er nach seiner Teilgenesung bei seinen Kollegen und Vorgesetzten nachzubohren versucht hat, warum diese grauenhafte Auseinandersetzung denn sein mußte. Doch gleichzeitig hat er sich gefragt, warum denn in unserer Gesellschaft Opfer immer nur auf der einen Seite zu beklagen seien, warum es unendlich viele Initiativen für Häftlinge gibt, für lebenslang kaputte Polizisten aber keine einzige? Wenn bei jemandem von euch eingebrochen wird, wenn jemand zusammengeschlagen wird, schreit ihr doch auch nicht „Holt einen Bullen“, sondern „Holt die Polizei“, oder ihr geht dazu über. Warum also müssen „Bullen“ immer „Bullen“ heißen?
Ich will hier nicht lamentieren. Aber zur Versöhnung gehört auch der Abbau von Feindbildern. Das des „Bullen“ ist eines davon: Es geht davon aus, daß, wer Polizist wird, dreinhauen will. Vielleicht hilft bei der Frage der Versöhnung ein kurzes Stück aus „Gramscis Asche“ von Pier Paolo Pasolini – der wohl nicht im Verdacht großer Autoritätshörigkeit steht – weiter: „Als ihr euch gestern mit den Polizisten geprügelt habt / Habe ich mit ihnen sympathisiert / Weil die Polizisten / Armer Leute Kinder sind.“ Marion S.
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