piwik no script img

Denkschrift der Evangelischen KirchenKein Glaube an gerechten Krieg

Die Evangelische Kirche in Deutschland warnt vor einer Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Ausland. In einer neuen Denkschrift äußert sie sich auch zu Atomwaffen.

"Jeder Auslandseinsatz ist ein Einsatz zuviel", sagt der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber. Bild: reuters

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich gegen weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgesprochen. In einer "Denkschrift", die die grundsätzlichen Positionen der 23 evangelischen Landeskirchen zum Thema "Frieden" im Namen von rund 26 Millionen evangelischer Christen festschreibt, wird vor einer Ausweitung dieser Einsätze der Bundeswehr gewarnt. Die "einseitige Prioritätensetzung zugunsten der Auslandseinsätze" sei "problematisch", heißt es in dem Papier. Zugleich sei die Drohung mit Atomwaffen friedensethisch nicht mehr zu rechtfertigen.

Das 128-seitigen Schreiben mit dem Titel "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" ist die erste Denkschrift des Rates der EKD zu diesem Thema seit 26 Jahren. Die sogenannte Friedensdenkschrift der EKD von 1981 hatte auf dem Höhepunkt der Debatte um die NATO-Nachrüstung für einiges Aufsehen gesorgt und die alles in allem kritische Haltung der evangelischen Kirche zum NATO-Doppelbeschluss bestärkt. Eine neue Denkschrift zum Frieden schien nun nötig, da sich die Sicherheitslage der Welt nicht zuletzt angesichts des Endes des Kalten Krieges, des Völkermordes in Ruanda und des gegenwärtigen Irak-Krieges völlig verändert hat.

In der neuen Denkschrift, die im Rat der EKD einstimmig akzeptiert wurde, warnt die Evangelische Kirche, dass "die Soldaten der Friedensmission in zunehmenden Maße als 'Besatzer' angesehen" würden, wenn es nicht gelinge, zugleich die friedliche Entwicklung des Einsatzlandes zu fördern. Die Transformation der Bundeswehr von einer Armee der lange Zeit nur theoretischen Landesverteidigung in eine Truppe im weltweiten Einsatz wird skeptisch gesehen. Die EKD betont, der Schutz der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands müsse vor allem politisch voran gebracht werden. Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, sagte, jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr sei eigentlich "ein Einsatz zuviel" und - wenn überhaupt - nur als "ultima ratio" zu rechtfertigen.

Die Denkschrift, die von der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD erarbeitet wurde, revidiert angesichts des Ende der Ost-West-Konfrontation auch die Position der Evangelische Kirche in Sachen Atomwaffen. Wurde die Drohung mit Atomwaffen noch 1959 in den sogenannten Heidelberger Thesen - ausgearbeitet unter anderem von dem Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker - als vorübergehendes, notwendiges Übel schweren Herzens akzeptiert, erscheinen Atomwaffen den Autorinnen und Autoren der Denkschrift nun vollends untragbar. Selbst die Abschreckung mit diesen Massenvernichtungswaffen sei "nicht mehr zu rechtfertigen", sagte der Kammer-Vorsitzende Wilfried Härle. Mit Hinblick etwa auf Indien, Pakistan und den Iran verwies er darauf, dass die nukleare Drohung in der heutigen Zeit nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu einer weiteren Verbreitung von Atomwaffen führe. Welche Folgen allerdings aus dieser grundsätzlichen Ansicht erwüchse, ob deshalb nun etwa die Abschaffung aller Atomwaffen zu fordern sei - über diese Frage konnte die Kammer keine Einigkeit erzielen.

Die Kirche räumt mit der Denkschrift zugleich eine Position, die seit Jahrhunderten immer wieder einmal eingenommen wurde - nämlich die Theorie des "gerechten Krieges", die von Augustinus vor rund 1.600 Jahren estmals erarbeitet wurde. "Auch die Herausforderung durch den modernen internationalen Terrorismus", so sagte Wolfgang Huber, "rechtfertigt keine Wiederbelebung der Lehre vom 'gerechten Krieg'. Vielmehr bewährt sich gerade in einer solchen Situation die Ausrichtung aller friedenspolitischen Überlegungen an der Leitidee des 'gerechten Friedens'."

"Gerechter Friede", also die Verhinderung eines Krieges durch vorherige Arbeit für den Frieden und eine gerechte Gesellschaft - dieser Gedanke zielt sich durch den ganzen Text. "Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten", bilanzierte Huber diesen zentralen Gedanken der Denkschrift. So sei jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr im Kern ein Beleg dafür, dass die zivile Bemühungen zur Konfliktlösung gescheitert seien.

In ersten Reaktionen begrüßten CDU, SPD und Linksfraktion die neue Denkschrift. Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), äußerte sich positiv: "Ich hoffe, dass damit ein Dialog über die Sicherheitspolitik in der Gesellschaft angestoßen wird."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!