Denkmalstreit: Deserteure im Hinterhof

Flensburg hat seit 1994 ein Denkmal für Deserteure. Das wurde jedoch nie aufgestellt, weil der Stadtrat ablehnte. Die Initiatoren hoffen nun auf eine neue Chance.

Führt ein Schattendasein: das Deserteursdenkmal. Bild: SPD Flensburg

Fahnenflucht ist laut Paragraph 16 des Wehrstrafgesetzes eine Straftat und kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. Womöglich hatten einige Mitglieder des Rates der Stadt Flensburg diesen Paragraphen im Hinterkopf, als sie am 18. Mai 1995 mehrheitlich entschieden, dass ein Denkmal für Deserteure nicht aufgestellt werden soll. Nun flammt die Debatte anlässlich einer Wanderausstellung zur nationalsozialistischen Militärjustiz im Flensburger Rathaus wieder auf.

Das Denkmal des Künstlers Miloudi Assila zeigt einen Soldaten, der seine Waffe abgelegt hat und sich vom Betrachter weg bewegt. Gestiftet wurde es von "Christen für die Abrüstung", einem Flensburger Zusammenschluss von Anhängern der Friedensbewegung. Seit seiner Fertigstellung steht das Marmorrelief im Hinterhof von Claus Kühne, einem Mitglied der Friedensgruppe.

"Kein örtlicher Bezug"

Gegen seine Aufstellung stimmte 1995 neben dem südschleswigschen Wählerverband auch die CDU-Ratsfraktion. Der abgebildete Soldat erinnere an einen Bundeswehrsoldaten, so der Einwand damals. Im Jahr 2009 unternahm die Friedensgruppe einen zweiten Anlauf. Doch die Stadt lehnte ein weiteres Mal ab. Zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus sei bereits ein anderes Projekt geplant, so die Begründung. Ein Denkmal ausschließlich für Deserteure halte man "aufgrund des fehlenden örtlichen Bezugs nicht für erforderlich".

Diesen Bezug kann man aber durchaus sehen: Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Flensburg von Hitlers Nachfolger, Großadmiral Karl Dönitz, zur neuen Reichshauptstadt benannt. Im Mai 1945 wurden hier viele Soldaten hingerichtet, weil sie die Teilnahme an einem aussichtslosen Krieg verweigerten.

"Debatte kommt wieder"

"Das Denkmal soll allen Menschen gelten, die sich nicht an verbrecherischen Kriegen beteiligen wollen", sagt Helmreich Eberlein von der Gruppe "Christen für die Abrüstung". Das schließe sowohl Deserteure der Wehrmacht als auch Fahnenflüchtige heutiger Unrechtsregime wie etwa Syrien ein. Bundeswehrsoldaten seien ausdrücklich nicht gemeint, "denn an verbrecherischen Kriegen darf sich Deutschland nach dem Grundgesetz sowieso nicht beteiligen".

Die Fraktion von Bündnis 90/ die Grünen hatte sich schon 1995 für das Denkmal ausgesprochen. Nun hofft Uwe Lorenzen, Stadtrat der Grünen, auf eine zweite Chance: "Ich freue mich, dass die Debatte wiederkommt." Anders sieht das die CDU. Ein Denkmal, das "jedwede Desertion gutheißt", will Frank Markus Döring, CDU-Ratsfraktionsvorsitzender, auch heute nicht. "Ich habe das Denkmal aber auch noch nie gesehen", gibt er zu.

Die SPD dagegen sieht in der Nicht-Aufstellung "eine Beleidigung für alle, die sich dem NS-Unrechtsregime entzogen oder widersetzt haben", so der SPD- Ratsfraktionsvorsitzende Helmut Trost. Das Denkmal solle jetzt öffentlich zugänglich werden.

Auch Claus Kühne hofft, dass das Denkmal nun endlich einen öffentlichen Platz bekommt. Die nahe gelegene Gedenkstätte Ladelund möchte das Denkmal gerne aufstellen, ein Platz, der auch von der SPD diskutiert wird. Doch für Kühne kommt das nicht in Frage: "Flensburg darf sich nicht aus seiner historischen Verantwortung stehlen", sagt er.

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