Deniz Yücel in U-Haft in der Türkei: Regierung fordert Zugang
Bundeskanzlerin Merkel fordert die Freilassung des „Welt“-Korrespondenten. Ihm drohen in der Türkei bis zu zehneinhalb Jahre Haft.
Die Bundesregierung bekräftigte, sie erwarte, dass Yücel bald freikomme. Er habe sich freiwillig der Justiz gestellt, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert. Schon deshalb sei es völlig unverhältnismäßig, ihn in Untersuchungshaft zu nehmen. Die Bundesregierung dringe darauf, dass Konsularbeamte Yücel umfassend betreuen können, und setze sich auf allen diplomatischen Kanälen für ihn ein.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit Nachdruck die Freilassung des in Istanbul inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel gefordert. „Wir denken an diesem Abend auch an Deniz Yücel, der in Untersuchungshaft in der Türkei sitzt und dessen Freilassung wir fordern“, sagte Merkel am Mittwoch in ihrer Aschermittwochsrede in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. Die Bundesregierung werde „alles in ihrer Macht stehende tun, damit das geschieht.“ (afp)
Seibert verwies darauf, dass derzeit sechs weitere deutsche Staatsbürger in der Türkei inhaftiert sind. Auch die Grünen fordern Yücels Freilassung. Bei ihrem Politischen Aschermittwoch in NRW hielten Parteichef Cem Özdemir und NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann Schilder mit der Aufschrift „#freedeniz“ hoch. Die Bundesregierung müsse „den Druck auf die Türkei deutlich erhöhen“, sagte Özdemir der taz.
Anders als die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen und FDP-Chef Christian Lindner sprach sich Özdemir gegen ein Einreiseverbot für den türkischen Präsidenten Erdoğan aus. „Mir wäre es am liebsten, Erdoğan würde nicht in Deutschland für seine antidemokratische Propaganda werben“, sagte Özdemir. „Aber wenn Erdoğan hier reden darf, dann sollten auch türkische Oppositionelle in der Türkei und hier reden dürfen, zum Beispiel Selahattin Demirtaş, der im Gefängnis sitzt. Die Bundesregierung kann das gern zur Bedingung machen.“
Özdemirs Parteifreund Özcan Mutlu schlug zudem vor, Außenminister Sigmar Gabriel oder Justizminister Heiko Maas (beide SPD) sollten „schnellstmöglich“ nach Ankara reisen. Die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen forderte, auch „Sanktionen gegen Erdoğan und seinen Clan, wie etwa die Sperrung von Konten, zu prüfen“.
Unterdessen wurde bekannt, dass der türkische Justizminister Bekir Bozdağ am Donnerstagabend in Gaggenau auftreten wird. Nach Angaben der türkischen Regierungspartei AKP handelt es sich um einen Wahlkampfauftritt, bei dem der Minister für ein Präsidialsystem in der Türkei werben will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel