: Demontage des grünen Polizisten
NRW-Innenministerium hat Polizeipräsident Hubert Wimber zurückgepfiffen. Neues Einsatzkonzept: Weiträumige Absperrung statt Deeskalation ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) – Münsters grüner Polizeipräsident Hubert Wimber hat seinen Spielraum verloren. Die Allgemeinverfügung, mit welcher der grüne Polizist die Demonstrationsmöglichkeiten beim bevorstehenden Castor-Transport nach Ahaus einschränken will, trägt nicht mehr seine Handschrift.
Der Fraktionssprecher der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, Roland Appel, bestätigte gestern der taz, daß es in den vergangenen drei Wochen „intensive Gespräche im Innenministerium gegeben hat“ zwischen Wimber und leitenden Beamten. Das Ziel: den Polizeipräsidenten, der am 20. Februar in Münster mit seinem Einsatzleiter Horst Haase eine weiche Linie angekündigt hat, auf Kurs zu bringen. Nach Presseberichten hat sich bei den Gesprächen besonders Dieter Glietsch, Referatsleiter Einsatz der Polizei und damit zweithöchster Polizist im Düsseldorfer Innenministerium, hervorgetan. Ministeriumssprecher Ludger Harmeier räumte gestern ein, daß es „unterschiedliche Nuancen“ in der Einsatzplanung gebe. Trotzdem trage Polizeipräsident Wimber die Allgemeinverfügung mit.
Am 20. Februar hatten Wimber und sein Einsatzleiter Haase noch erklärt: „Es wird in Ahaus keine Sperrzone oder insgesamt abgesperrte Bereiche geben. Jeder soll sich in Ahaus frei bewegen können.“ In der 21seitigen allgemeinen Verbotsverfügung für Ahaus heißt es jetzt hingegen, daß eine Trasse von 600 Metern um die Bahnstrecke demonstrationsfrei bleiben müsse. In Gorleben hatte die Polizei selbst unter reiner SPD- Regie beim Castor-Transport lediglich 50 Meter rechts und links der Trasse zur demonstrationsfreien Zone erklärt.
Appel räumte gestern ein, daß die Bündnisgrünen von der weitgehenden Verfügung aus dem SPD- Innenministerium überrascht und enttäuscht worden sind. „Es gibt da erhebliche Differenzen.“ Umstritten ist vor allem, wie ein friedlicher Verlauf der Proteste erreicht werden kann, was sich hinter dem schönen Wort „Deeskalation“ eigentlich verbirgt. Während die Grünen und die Bürgerinitiative in Ahaus argumentieren, daß die Möglichkeit symbolischer Schienenbesetzungen und ein zurückgenommener Polizeieinsatz beim Castor-Einsatz deeskalierend wirken können, möchte das Innenministerium mit der weiträumigen Absperrung erreichen, daß sich auf keinen Fall Demonstranten auf den Gleisen niederlassen. Der Sprecher des Innenministers: „Wir wollen verhindern, daß Demonstranten auf die Gleise kommen. Wenn die da sitzen, bekommen wir sie nur noch mit Wasserwerfer und Schlagstock weg.“ Dabei geht man davon aus, mit der Sperrung die Demonstranten von den Gleisen fernhalten zu können.
In der 36.000-Seelen-Stadt Ahaus haben am Sonntag fünftausend Menschen friedlich gegen die Castor-Transporte ins dortige Zwischenlager protestiert. Der Protest im katholischen Münsterland hat deutlich an Breite gewonnen, seitdem auch die Bistumszeitung Kirche und Leben der Diözese Münster die Gläubigen auffordert, in Sachen Atomenergie „Farbe zu bekennen für die Schöpfung“. Katholische Verbände und einige Kirchengemeinden hatten sich gegen den Transport ausgesprochen.
Auch gestern ging der Protest weiter: Greenpeace-Aktivisten blockierten mit einem Stahlkasten, an den sich sich angeschlossen hatten, für fünf Stunden die Bahnstrecke zum Atommüllager.
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