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DemonstrationsnachleseIm Hotel Adlon klirrten die Tassen

Innenausschuss diskutiert Auseinandersetzung zwischen Polizei und Autonomen bei Großdemonstration am Samstag.

Artikeltext (Überschrift und Vorspann hier werden nicht publiziert)

Von einem Rückfall in alte Zeiten mochte gestern weder der Polizeipräsident noch der Anmelder der Großdemonstration reden. Unter dem Motto "Meine Daten gehören mir" hatten am Samstag über 10.000 Menschen gegen die zunehmende elektronische Überwachung demonstriert. Dabei war es zu Auseinandersetzungen zwischen Autonomengruppen und der Polizei gekommen. Auf beiden Seiten gab es Verletzte. "Das waren die üblichen kleinen Rituale", sagte Ricardo Cristof Remmert-Fontes von der Humanistischen Union, der den Protestzug angemeldet hatte. "Es hätte wesentlich schlimmer kommen können".

Auch Polizeipräsident Dieter Glietsch wollte nicht erkennen, dass seine Beamten unverhältnismäßig hart vorgegangen sind. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses schilderte er gestern den Ablauf aus Sicht der Polizei. Unter den rund 8.000 Demonstranten hätten sich rund 1.000 Anhänger aus dem "linksextremistischen, zum Teil militanten Bereich" befunden. Dass Letztere nicht friedlich blieben würden, habe sich frühzeitig abgezeichnet, als rund 200 Mitglieder des Schwarzen Blocks nahe dem Pariser Platz die Vorkontrollen verweigert hätten. Die Gruppe sei deshalb am Hotel Adlon aufgehalten worden.

Wenig später hätten sich 300 weitere Personen vom Schwarzen Block, die sich mit den Festgehaltenen "solidarisierten", die Polizisten am Adlon "massiv" bedrängt. Dabei seien auch "Teile des Mobiliars der Caféterrasse vom Adlon" zu Bruch gegangen. Um die Situation zu beruhigen, habe der Einsatzleiter nunmehr allen die Teilnahme am Aufzug gestattet. Am Schlossplatz aber hätten die Beamten zugegriffen - massiv und rücksichtslos, wie die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Marion Seelig, gestern im Ausschuss kritisierte. Nicht nur friedliche Demonstranten "wurden in Mitleidenschaft gezogen, auch Ordner, die versuchten, die Auflagen der Polizei im Schwarzen Block durchzusetzen".

Glietsch verteidigte das Vorgehen damit, die Beamten hätten "einem Auflösungsprozess" des Schwarzen Blocks zuvorkommen wollen. Acht Personen wurden festgenommen, wegen Landfriedensbruchs und Widerstandes wurden 24 Strafanzeigen erstattet. 32 Teilnehmer der Demonstration seien verletzt worden, so die Veranstalter.

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2 Kommentare

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  • P
    pünktchen

    rofl! - die begründungen für die endemische gewalt der berliner einsatzhundertschaften wird ja auch immer kreativer:

     

    die polizei wollte also der auflösung des sogenannten schwarzen blocks zuvorkommen? seit wann ärgert sich die polizei, wenn sich der schwarze block auflöst? hätte sie etwa sonst aus lauter langeweile andere teile der demonstrantion verprügeln müssen? oder wie soll man das verstehen?

     

    und wenn herr remmert-fontes meint, diese art der polizeigewalt als übliches kleines ritual herunterzuspielen und den angegriffenen demonstranten auch noch die schuld in die schuhe zu schieben, sollte er sich wirklich mal überlegen, was er in einer bürgerrechtsorganisation wie der humanistischen union eigentlich verloren hat. ist ja widerlich.

     

    und liebe taz: von einer auseinandersetzung zwischen autonomengruppen und der polizei kann keine rede sein. die von euch als autonomen deklarierten haben sich ja gar nicht gewehrt.

  • DW
    Dr.Christian Waller

    Ich fand das sogenannte "Vorgehen" (besser wäre wohl eskalieren, Prügeln, Grundrechte und "friedliche" Demonstranten mit den Füssen tretten) skandalös! Eigentlich für Berlin nichts neues wütete die Polizei, hier viel besonders die 23.Hundertschaft auf, in ihrem gewohnten Muster. Wird immer über Krawallmacher, Autonome geschrieben, sie würden wie immer nur auf "Äktschn" aus, kann ich nur lachen! Am Adlon kam es zu Rangeleien, da Demonstranten verweigerten ihre Personalien abzugeben, daraufhin machte die Polizei kein Zugeständniss, sondern wurde einfach "umgangen" indem die Demonstranten durch die Kette flossen. Später dann nahmen die Einsatzkräfte zu lange Transparente und ein paar vemummte zum Anlass um wahllos Reizgas zu Sprühen und Menschen zu verprüggeln, sich zu rächen?! Bis jetz dachte ich immer die Zeiten wären vorbei, in denen (viele LeserInnen erinnern sich noch) die Polizei ungestraft Menschen erschiessen oder halb tot prügeln konnte