Demonstrationen in der Türkei: Revanche der Nationalisten
Zehntausende demonstrieren in Istanbul gegen die "Lüge vom Völkermord an den Armeniern". Im Zentrum der Kritik steht Nicolas Sarkozy.
ISTANBUL taz | Mehr als zehntausend Menschen demonstrierten am Sonntag in Istanbul gegen den französischen Präsidenten Sarkozy und die "Völkermordlügen der Armenier" gegenüber der Türkei.
Anlass war der 20. Jahrestag des "Massakers" in Hocali (armenisch Khojalu), einer Kleinstadt in Berg-Karabach. Diese war während des Krieges um die hauptsächlich von Armeniern bewohnte Enklave in Aserbaidschan im Februar 1992 von armenischen Freischärlern niedergemacht worden, viele Zivilisten wurden getötet.
Der zentrale Taksim-Platz in Istanbul war gesäumt von türkischen und aserbaidschanischen Fahnen. Türkisch-aserbaidschanische Freundschaftsvereine hatten zu der Veranstaltung aufgerufen. Vorgeblich sollte es um "Gerechtigkeit für Hocali" gehen. Tatsächlich war der Jahrestag ein willkommener Anlass für die Nationalisten aller Schattierungen, in der Armenien-Frage wieder einmal Flagge zu zeigen.
Seit dem Mord an dem armenisch-türkischen Journalisten und Menschenrechtler Hrant Dink 2007 waren die Nationalisten in der Defensive. Immer wieder, zuletzt nach der Urteilsverkündung gegen die Mörder von Dink im Januar, waren Zehntausende auf die Straße gegangen, um Gerechtigkeit für Hrant Dink zu fordern und Transparente mit der Aufschrift "Wir sind alle Armenier" hochzuhalten.
"Wir sind alle Türken"
Am Sonntag kam die Antwort. "Wir sind alle Türken", schallte es auf dem Platz und "Schweigt nicht länger zu den Lügen der Armenier". Der wichtigste Mobilisierungsfaktor für die Nationalisten war Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Er hatte dafür gesorgt, dass Ende Januar das französische Parlament ein Gesetz verabschiedete, das die Leugnung des Völkermordes an Armeniern unter Strafe stellt.
Die türkische Regierung protestierte heftig und unterstellte Sarkozy, es sei ihm dabei vor allem um Stimmen von armenischstämmigen Wählern im Präsidentschaftswahlkampf gegangen. Empört wiesen Sprecher bei der Veranstaltung darauf hin, dass im Westen zwar immer von dem "angeblichen Völkermord an den Armeniern" 1915 im Osmanischen Reich geredet würde, die aserbaidschanischen Toten und Vertriebenen aus Berg-Karabach aber nie erwähnt würden.
"Muslimische Opfer" zählen im Westen nicht, soll das heißen. Deswegen wurde auf dem Taksim-Platz auch nicht nur der türkisch-aserbaidschanische Schulterschluss gefordert. Viele Demonstranten mahnten auch den Zusammenhalt der Muslime an.
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