Demonstrationen in Ungarn: Protest gegen Orban-Regierung
In Budapest gehen abermals tausende Menschen auf die Straße. Sie demonstrieren gegen eine Änderung im Arbeitsrecht. Es ist der vierte Protest seit wenigen Tagen.
Es war der vierte Protest seit Mittwochabend. Der Unmut richtet sich vor allem gegen ein neues Gesetz, durch das Unternehmen Mitarbeitern künftig bis zu 400 Überstunden pro Jahr auferlegen können statt der bisher erlaubten 250. Der Zeitrahmen für eine Begleichung angehäufter Überstunden wird überdies von zwölf Monaten auf bis zu drei Jahren ausgeweitet. Kritiker sehen in den Änderungen eine Einschränkung der Rechte von Arbeitern. Der Staat will mit den Maßnahmen hingegen den wachsenden Arbeitskräftemangel auffangen.
In den Demonstrationen drücken sich aber auch Klagen über andere Aspekte der Politik der Orban-Regierung aus, etwa ein ebenfalls am Mittwoch verabschiedetes Gesetz, das die Schaffung eines eigenen Gerichts für Verwaltungsangelegenheiten vorsieht.
Bei den regierungskritischen Protesten kam es teils zur Gewalt. Am Donnerstag warfen einige Demonstranten Flaschen und Rauchbomben auf Bereitschaftspolizisten, die das Parlamentsgebäude bewachten. Laut Polizei wurden zwei Beamte verletzt. Nach dem formalen Ende der Kundgebung vom Sonntag marschierten Hunderte Protestler neben der Donau und blockierten mindestens zwei wichtige Straßenbrücken. Die Polizei flankierte den Zug. Eine Demonstrantengruppe skandierte zudem Parolen für mehr Pressefreiheit und kündigte an, zum Gebäude des Staatsfernsehens ziehen zu wollen. Dann setzten Beamte Tränengas ein, um die Menge in Schach zu halten und zu zerstreuen.
In die Proteste haben sich mittlerweile unterschiedliche Akteure aus dem ganzen politischen Spektrum Ungarns eingeklinkt. Auch Mitglieder von Jobbik mischen mit – eine in ihren Ursprüngen rechtsextreme Partei, die sich als „Volkspartei“ neu zu erfinden versucht. Ein Block aus linken und liberalen Oppositionsparteien, Gewerkschaften sowie Unterstützern der vom ungarisch-amerikanischen Milliardär George Soros gegründeten privaten Central European University haben sich dem Protest auch angeschlossen. Soros' Universität hatte im Übrigen erst vor kurzem angekündigt, ihren Sitz von Budapest nach Wien zu verlegen. Orbans Regierung habe sie „verjagt“, hieß es zur Begründung.
Verbündete des Ministerpräsidenten haben die Proteste als Werk liberaler Gruppen bezeichnet, die von Soros unterstützt würden. Orbans Stabschef Gergely Gulyás warf Teilnehmern der Demonstration vom Donnerstag etwa vor, zu dem Investor zu gehören und „offenen antichristlichen Hass“ zu zeigen. In einer Reaktion auf den Protest vom Sonntag zeigte sich ein Regierungssprecher in einer E-Mail versöhnlicher. Bürger hätten ein verfassungsgemäßes Recht auf freie Versammlungen, solange dabei keine Gesetze gebrochen würden.
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