Demonstrationen in Marzahn-Hellersdorf: Für die Rechten ein Desaster
3.000 Gegendemonstranten verhindern den Aufmarsch der Flüchtlingsgegner in Marzahn. „Wir sind das Volk“, skandieren die Rechten, „Bleiberecht überall“ tönt es von der anderen Seite.
Ein Desaster für Neonazis, Flüchtlingsgegner und „besorgte Anwohner“, ein voller Erfolg für alle, die am Samstag in Marzahn gegen die Rechten auf die Straße gegangen sind – das ist die Bilanz des Tages. Die zum Schluss auf etwa 150 Menschen zusammengeschrumpfte Demonstration der Rechten muss erst lange warten und dann schließlich nach wenigen hundert Metern umdrehen, ihre geplante Route sowie mögliche Ausweichstrecken sind von etwa 3.000 GegendemonstrantInnen blockiert. Zu den Gegenprotesten aufgerufen hatte ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, und verschiedenen linken Gruppen
Schon mittags um 12 Uhr ist klar: Es sind viele, die gegen die Rechten auf die Straße wollen. Der S-Bahnhof Ostkreuz ist dicht, etwa 1.000 Menschen haben sich hier versammelt. „Ich hätte nie gedacht, dass so viele kommen, schließlich ist Marzahn nicht gerade Innenstadt“, sagt eine Teilnehmerin. Gemeinsam geht es mit der S-Bahn nach Marzahn, von dort schlägt sich der Zug durch die Plattenbau-Siedlungen in Richtung der geplanten Neonazi-Route. Das Tempo ist sportlich, immer wieder geht es kreuz und quer durch Grünanlagen und Wohnsiedlungen, um den Polizei-Absperrungen zu entgehen. Für die Polizei ist es ein Großeinsatz: Etwa 1.700 Beamten sind im Einsatz.
Kurz bevor den Antifas die Puste ausgeht, ist ein erster Erfolg geschafft: Der Zug ist an der Kreuzung Landsberger Allee/Blumberger Damm angekommen. Die liegt mitten auf der geplanten Route der Rechten, gleich um die Ecke befindet sich der Standort der künftigen Container-Flüchtlingsunterkunft in der Schönagelstraße, die den Neonazis seit Wochen als Anlass für ihre Hetze im Bezirk dient.
Schnell ist die Kreuzung besetzt, die Blockade geht hier über in eine von der Linkspartei angemeldete Kundgebung. Immer mehr GegendemonstrantInnen kommen an, die Stimmung ist gut. Auch an anderen Orten entstehen jetzt Blockaden, bis nicht nur die geplante, sondern auch mögliche Ausweichrouten der Rechten erst mal dicht sind.
Ab 14 Uhr sammeln sich die FlüchtlinsgegnerInnen an ihrem Auftaktort in der Nähe des S-Bahnhofs Raoul-Wallenberg-Straße, etwa 700 sind es zu Beginn. Organisierte Neonazis sind darunter, etwa der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke. „Wir sind Anwohner und keine Nazis“, steht nichtsdestotrotz auf selbstgemalten Schildern. In Redebeiträgen wird gegen „Asylbetrüger“ gehetzt, nach Einschätzung von Antifa-Aktivisten gehört ein Großteil der DemonstrantInnen dem organisierten Neonazi- und Kameradschaftsspektrum an.
Für die Rechten heißt es erst mal warten, denn die vor ihnen liegende Strecke ist mittlerweile in alle Richtungen blockiert. Auch bei den Blockaden bleibt es zunächst ruhig, eine Weile lang sieht es so aus, als würde es am Ende darum gehen, welche Gruppe es länger in der Kälte aushält. Die NazigegnerInnen scheinen hier einen Vorteil zu haben: Von ihrem Balkon aus verteilen AnwohnerInnen heißen Tee. Mit ihrer Behauptung, den ganzen Bezirk hinter sich zu haben, liegen die Neonazis offensichtlich falsch.
Um 17 Uhr wird es dann chaotisch: Die Rechten laufen doch noch los, auf die nur 200 Meter entfernte Blockade zu. Die war bisher durch Polizeifahrzeuge und Gitter abgesperrt – jetzt gelingt es den GegendemonstrantInnen plötzlich, auf die Kreuzung zu kommen. Die Polizei scheint überfordert, es fliegen Böller und einige Flaschen. Die Rechten müssen umdrehen und zurück zum S-Bahnhof laufen, die GegendemonstrantInnen laufen jetzt direkt daneben auf der anderen Fahrbahn, nur die Tram-Schienen und die Polizei trennen die beiden Gruppen. „Wir sind das Volk“, skandieren die Rechten, „Bleiberecht überall“ tönt es deutlich lauter von der anderen Seite. Die Stimmung ist aggressiv, die Polizei setzt Pfefferspray gegen die antifaschistischen DemonstrantInnen ein und versucht, deren Zug auf den Gehweg zu drängen. 22 verletzte Beamte und 14 Festnahmen gibt es insgesamt, so ein Polizeisprecher am Sonntag.
Um kurz nach sechs ist dann alles vorbei: Die Rechten sind abgereist. Dass der Neonazi-Aufmarsch verhindert werde konnte, ist vor allem den von Antifa-Gruppen organisierten Blockaden und deren TeilnehmerInnen zu verdanken, die Kundgebungen der Parteien waren eher Ergänzung. Ob den rechten Protesten in Marzahn damit auch über diesen Tag hinaus der Wind aus den Segeln genommen wurde, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.
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