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Demokratieabbau in UngarnTiefschlag gegen Orbán-Kritik

Die ungarische Regierung will auslandsfinanzierte NGOs massiv einschränken und überwachen. Das Vorhaben erinnert an das russische „Agentengesetz“.

Lässt immer weniger Kritik zu: Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban spricht in der ungarischen Nationalversammlung Foto: Zoltan Mathe/mti/ap/dpa

Wien taz | Der Demokratieabbau in Ungarn geht weiter: Fidesz, die Partei des Langzeitpremiers Viktor Orbán, hat Dienstagabend einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Überwachung und Verbot von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ermöglicht. Betroffen sind all jene Organisationen, die als „Bedrohung der nationalen Souveränität“ eingestuft werden, etwa indem sie „Ungarns unabhängigen, demokratischen und rechtsstaatlichen Charakter“ untergraben oder Ungarns „Identität“ oder „christliche Kultur“ infrage stellen.

Derart von einer Regierungsbehörde eingestufte NGOs dürfen keine internationalen Gelder mehr erhalten, es sei denn, sie erhalten eine Ausnahmegenehmigung. Doch auch ungarische Spender an diese Organisation müssten nachweisen, dass sie ihr Geld nicht aus dem Ausland bezogen haben.

Zudem entfallen Steuerbegünstigungen für die betroffenen Organisationen. Das neue Gesetz, das bewusst breit gefasst ist und damit Willkür Tür und Tor öffnet, dürfte bereits in den kommenden Tagen mit der Zweidrittelmehrheit von Fidesz beschlossen werden.

Für die Umsetzung bekäme das 2023 eingeführte und hoch umstrittene „Amt für Souveränitätsschutz“ erweiterte Befugnisse. Es könnte Organisationen identifizieren, die die öffentliche Debatte „nachteilig“ beeinflussen, Bankkonten überwachen und blockieren sowie Geldstrafen verhängen.

Geheimdienste sollen Ermittlungen unterstützen

Die Geheimdienste sollen bei den Ermittlungen unterstützend tätig sein. Bei Verstößen drohen eine Strafe in 25-facher Höhe der jeweiligen Spende sowie Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren. Erfolgt die Strafzahlung nicht binnen 15 Tagen, muss die betroffene Organisation ihre Tätigkeiten einstellen.

Das Gesetz erinnert stark an das russische „Agentengesetz“, mit dem seit 2012 Organisationen, die „politisch tätig“ sind und „vom Ausland unterstützt werden“, verboten werden können. Präsident Putin nutzte es, um die kritische Zivilgesellschaft einzuschüchtern und weitestgehend zu zerstören. Seit 2020 sind davon auch Privatpersonen erfasst, etwa Blogger. Auch andere Länder wie die Türkei und Georgien haben ähnliche Gesetze erlassen.

„Das Gesetz folgt dem russischen Playbook“, schrieb der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony von der grünen Partei Párbeszéd („Dialog“). Der ungarische Politikwissenschaftler Péter Kreko sieht die „bisher drakonischste Maßnahme gegen die ungarische Zivilgesellschaft – drakonischer noch als in Russland.“

Orbán bezeichnet kritische Organisationen als Stinkwanzen

Bereits zuvor hat Orbán angedroht, NGOs aus dem Ausland „zerstören“ zu wollen. In einer Rede am 15. März kündigte er an, kritische Organisationen nicht länger zu dulden. Er bezeichnete Regierungskritiker als „Stinkwanzen“ und versprach einen „Frühjahrsputz“.

Kritiker effektiv zum Schweigen bringen

Bereits 2017 versuchte die Regierung, NGOs mit EU-Fördergeldern als „ausländische Agenten“ zu brandmarken. Der Europäische Gerichtshof erklärte dies 2020 für unvereinbar mit EU-Standards, woraufhin das Gesetz zurückgezogen werden musste.

Beobachter rechnen damit, dass auch das neue Gesetz vom EuGH gekippt wird – allerdings erst nach Jahren. Bis zur nächsten Parlamentswahl im Frühling 2026 könnten kritische Stimmen so effektiv zum Schweigen gebracht werden.

Mit Péter Magyar tritt da erstmals seit 15 Jahren ein Konkurrent an, der Orbán gefährlich werden könnte. Binnen eines Jahres war der frühere Weggefährte Orbáns zur Gallionsfigur der Opposition geworden. Mittlerweile liegt Magars Partei Tisza in den Umfragen deutlich vor Fidesz.

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5 Kommentare

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  • Ich weiß zwar nicht wie aber die EU muss sich neu aufstellen.



    In einigen Staaten gibt es eher eine Abkehr von der ursprünglichen Idee wie Europa aussehen soll. Länder die nur das Geld wollen



    haben da nichts zu suchen.



    Das Einstimmigkeitsgebot bremst die EU eher aus



    und es muss in Zukunft auch die Möglichkeit geben



    Länder aus zu schließen.

  • Wie war das? "Merz deckt Dobrind." Immer weiter nach rechts.

  • Und wieder ein Autokrat, der von der CDU/ VdL jahrelang vor Konsequenzen geschützt wurde.

  • Demokratisch und rechtsstaatlich? Echt jetzt? Die EU sollte Ungarn endlich rauswerfen. Spart eine Menge Geld. Orbán kann ja dann Putin anbetteln. Oder Trump.

  • Orbán legt das Christentum auf erstaunliche Art und Weise aus. Ungarn im Würgegriff eines korrupten Politikers, dessen selbstherrliche Arroganz kaum zu überbieten ist. Was dieses Land mit dieser Führung in der EU verloren hat?