Demo gegen Gentrification an der Spree: Sechs verschiedene Routen, ein Ziel

Zwei Jahre nach dem Bürgerentscheid gegen Mediaspree gehen BerlinerInnen wieder auf die Straße. Sechs Routen, sechs Forderungen – ein gemeinsames Ziel.

Demonstranten kaperten im Juni das Ufergrundstück an der Cuvrystraße in Kreuzberg. Bild: ap

Neben zahlreichen Clubs und Kultureinrichtungen beteiligt sich an der Route, die am Boxhagener Platz startet, auch die Initiative "Mediaspree versenken". Das Spreeufer ist derzeit einer der Bereiche in Berlin, in denen eine Aufwertung am sichtbarsten ist: Neue Hotels entstehen neben Bürogebäuden und Modezentren und verändern zunehmen die Silhouette des Ufers.

"Flussufer sind kein x-beliebiges Bauland, das man einfach so verkaufen kann", sagt Carsten Joost von der Initiative "Mediaspree versenken". In einem Bürgerentscheid im Sommer 2008 sprachen sich 87 Prozent der Einwohner von Friedrichshain-Kreuzberg für einen mindestens 50 Meter breiten öffentlichen Uferstreifen und keine weiteren Hochhäuser aus. Zwei Jahre später kritisieren die Initiativen, dass es zwar kleine Veränderungen an den Bauplänen gab - eine grundsätzliche Umkehr in der Politik aber fehle.

Organisator der Route ist Geza Adasz vom RAW-Tempel. Das Gelände ist seit Ende Mai aus dem Gröbsten raus - nach drei Jahren zäher Verhandlungen gibt es einen Mietvertrag über zehn Jahre. Der Vertrag ist ein Kompromiss, eigentlich wollte der Verein die Gebäude kaufen. "Das Gebiet hier ist besonders stark von der fragwürdigen Stadtentwicklungspolitik betroffen, daher wird es am Samstag vermutlich eine große Resonanz geben", sagt Adasz.

Zum zweiten Mal findet unter dem Namen Megaspree ein Sternmarsch statt. Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Vor zwei Jahren erteilten die Einwohner von Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Bürgerentscheid den Bebauungsplänen für das Spreeufer eine Abfuhr.

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Mit dem Namen Megaspree erinnert das Bündnis an seine Wurzeln, den Kampf gegen die Spreeufer-Bebauung. Doch die Initiativen, die sich daran beteiligen, wollen sich nicht darauf beschränken. "Es geht unter anderem um kulturelle Freiräume, ökologische Anliegen, soziale Fragen", sagt Geza Adasz vom RAW-Tempel.

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Anderthalb Jahre nach der Gründung beteiligen sich über 150 Clubs, Vereine, Initiativen und Gruppen an dem Bündnis. Einige haben angekündigt, dass aus der Zusammenarbeit dieses Jahr noch mehr herauskommen soll, als die Demo am Samstag

Route 2: A100

Demo oder Kunst? Die Organisatoren des Demo-Teils aus Treptow haben über mehrere Wochen ihre Zeit in die Vorbereitung investiert, um den wohl aufwendigsten Abschnitt zu planen. Das Ergebnis: ein Trauermarsch mit 14 Särgen, die unter anderem für den Tod des Spreeufers stehen sollen, und mehrere hundert Luftballons, die am Ende vor dem Roten Rathaus steigen werden. Genehmigung der Flugsicherung inklusive.

"Mit den Särgen wollen wir symbolisch die demokratischen Grundrechte wie Natur und Gerechtigkeit zu Grabe tragen", sagt Mitinitiator Tobias Trommer. In Stille sollen die Särge vor der O2-Arena am Ostbahnhof niedergelegt werden. Der Protest richtet sich auch gegen die geplante Verlängerung der Stadtautobahn A 100. Die Gegner dieser Planung befürchten ein höheres Verkehrsaufkommen sowie Belastungen für Umwelt und Anwohner. Erst Ende Juni hatte sich der Parteitag der SPD entgegen einem früheren Votum für den Bau ausgesprochen. Zuvor hatte das Bundesverkehrsministerium angedeutet, dass es das 420 Millionen Euro teure Projekt auch an sich ziehen könnte, würde sich der Berliner Senat gegen den Bau entscheiden.

Die Teilnehmer der Demo sind nun dazu aufgerufen, sich entweder einem Trauermarsch angemessen zu kleiden, sich am Sargtragen zu beteiligen oder die Gruppe der symbolischen Unfallopfer zu vergrößern. Alte Kleidung soll mitgebracht werden, Kunstblut gibt es vor Ort. Ja, ein bisschen morbid ist das Ganze schon, das gibt Trommer immerhin zu.

Route 3: Bürgerrechte

Für die Route, die am Oranienplatz startet, zeichnet der Verein "Aktion Freiheit statt Angst" verantwortlich, der sich vor allem für Bürgerrechte einsetzen will. Was hat das mit den Zielen von Megaspree zu tun? "Auch bei Stadtentwicklungspolitik geht es um Bürgerrechte, und die Bürger brauchen mehr Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen", erklärt Lotar Küpper. Darüber hinaus solle die Demo auch Ausdruck einer neuen Zusammenarbeit zwischen verschiedensten Gruppen sein. An der Route beteiligt sich unter anderem die Initiative zum Erhalt der Eisfabrik, die gegen den Abriss der historischen Gebäude an der Köpenicker Straße kämpft.

Route 4: Tacheles

So war das eigentlich nicht geplant. Als die Route für die Megaspree-Demo schon stand, war klar, dass aus der abstrakten Bedrohung des Tacheles eine konkrete geworden ist: Der Insolvenzverwalter teilte am Mittwoch mit, dass das Kunsthaus bereits in vier Wochen dem Zwangsverwalter der HSH Nordbank übergeben werden soll. Geräumt. Zwangsgeräumt.

Die Bank als Gläubiger will das Gelände verkaufen. Und das kurz nachdem sich zumindest die Berliner Wasserbetriebe bereit erklärt hatten, das Haus weiterhin mit Wasser zu versorgen, obwohl der Gläubiger die Versorgung zum 1. Juni gekündigt hatte.

"Ich erwarte schon, dass die Route dadurch etwas Zuwachs bekommt", sagt Anna Mohr, Sprecherin des Megaspree-Bündnisses. Der Anfang vom Ende des Tacheles begann 2008 mit dem Auslaufen eines zehn Jahre alten Mietvertrags. Mit dem hatten die Künstler noch symbolische 50 Cent Miete monatlich gezahlt. Als sich keine Einigung auf einen neuen Vertrag abzeichnete und der Trägerverein kein Geld für die geforderte Nutzungsentschädigung hatte, musste er Insolvenz anmelden. Nun will die Bank als Gläubiger das Gebäude räumen lassen.

"Wir werden nicht weichen", sagte Martin Reiter vom Tacheles-Vorstand noch zu Wochenbeginn. Die Unterstützer werden am Samstag direkt vor der Tür des Künstlerhauses starten.

Route 5: Mauerpark

Den Demoteil aus Pankow hat die Bürgerinitiative "Mauerpark Fertigstellen" initiiert. "Wir wollen uns dem Diktat der leeren Kassen nicht beugen", sagt Ralf Mark Stockfisch, einer der Organisatoren.

Genau daran hängt es beim Mauerpark: Der schmale Parkstreifen soll vergrößert werden, indem ein Unternehmen Flächen für den Park bereitstellt und im Gegenzug für andere Flächen eine Baugenehmigung erhält. Das stößt auf den Widerstand der Anwohner, die sich einen Mauerpark ohne neue Randbebauung wünschen. Letzter Vorschlag war ein Entwurf des Bezirksstadtrats für Stadtentwicklung von Mitte, Ephraim Gothe (SPD). Er sieht Neubauten nördlich und am südwestlichen Parkende vor. 14 Hektar soll das Gelände dann messen, derzeit sind es 8. Mindestens 10 müssen es werden, wenn das Land nicht einen Betrag in Millionenhöhe an die Allianz Umweltstiftung zurückzahlen will. Die hatte den Park auf dem ehemaligen Mauerstreifen in den 90er Jahren finanziell unterstützt. Doch die Anwohner befürchten, dass es, wenn neue Wohngebäude entstehen, Konflikte mit den Parknutzern im Sommer gibt.

"Wir brauchen mehr Freiräume und Spielwiesen statt mehr Beton", sagt Stockfisch. Diesen Satz werden auch die anderen Gruppen, die sich in den Pankower Demoteil einreihen, unterschreiben.

Mit dabei sind unter anderem lokale Initiativen, die sich gegen die Bebauung von Freiflächen wehren oder sich für eine fußgänger- und radfahrerfreundlichere Stadt einsetzen.

Route 6: Kiezaufwertung

Der wohl überschaubarste Teil des Sternmarsches kommt aus Moabit, organisiert vom Verein "Billige Prachtstraße - Lehrter Straße". "Themen haben wir ohne Ende, weil sich alles Mögliche tut, aber wir sind natürlich nicht so spektakulär wie das Spreeufer", sagt Vereinsmitglied Susanne Torka. Und dann kennt ihr Redefluss keinen Halt mehr. Sie erzählt von dem neuen Hostel in der Lehrter Straße, das mit seinem jungen, Lärm verursachenden und rauchenden Publikum den Nachtschlaf der Anwohner störe, von den Bauplänen für den mittleren Bereich der Lehrter Straße und dem Quartier Heidestraße, bei dem am Freitag die Einwendungsfrist gegen den Bebauungsplan endete. "Wir sind nicht komplett gegen die Bebauung, wir wollen sie nur nicht so dicht, so extrem", sagt Torka. Sie hofft, dass sich auch ohne Wagen Anwohner für die Demonstration begeistern lassen - und der Stadtteil damit mehr Aufmerksamkeit bekommt.

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