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Demo für linke FreiräumeVorne Block, hinten Clowns

Mehrere Tausend Menschen demonstrieren für den Erhalt linker Wohn- und Kulturprojekte und gegen steigende Mieten. Trotz eines neuen Demo-Konzepts kommt es am Ende doch zur Randale.

Gerade en vogue: Linke Proteste für Freiräume und gegen Gentrifizierung. Bild: Reuters

Eine friedliche Demonstration soll es werden, für den Erhalt von linken Freiräumen und gegen steigende Mieten. Das kündigen die Organisatoren der Kampagne "united we stay" zu Beginn eigenwillig über Lautsprecher an: "Liebe Bullen, wenn ihr euch prügeln wollt, seid ihr hier falsch."

Friedlich bleiben die Proteste am Samstag auch lange Zeit. Unter dem Motto "Für den Erhalt von Freiräumen und Wohnprojekten in Berlin und überall" ziehen die Teilnehmer vom Hermannplatz in Neukölln bis zum Frankfurter Tor in Friedrichshain. Während die Organisatoren die Zahl der Teilnehmer später auf 5.000 beziffern, zählt die Polizei zu Spitzenzeiten 2.500. Begleitet wird der Zug von 900 Beamten aus Berlin, Sachsen-Anhalt und von der Bundespolizei.

Auch die Teilnehmer kommen nicht nur aus Berlin, sondern aus ganz Deutschland. Wie eine Gruppe, die aus Münster angereist ist und sich für die Erhaltung eines besetzen Hauses in der Grevener Straße einsetzt. Lisa* ist aus Leipzig zu der Demonstration gekommen. Sie sieht es zwar positiv, dass es in Berlin eine größere Zahl linker Hausprojekte gibt. Gleichzeitig befürchtet sie deren baldiges Aus. "Es ist wichtig, sich nicht alles gefallen zu lassen", sagt sie. Lisa ähnelt dem durchschnittlichen Teilnehmer der Demonstration. Der ist schwarz gekleidet, trägt Mütze und die Fahne einer der diversen Antifa-Gruppierungen.

Der schwarze Block, in dem sich die Demo-Teilnehmer durch uniforme schwarze Kleidung schlecht identifizierbar machen wollen, war in dem neuen, bunten Demo-Konzept eigentlich nicht vorgesehen. Doch als sich der Demonstrationszug langsam richtig Frankfurter Tor bewegt, ist er zweigeteilt. Vorne die schwarz gekleideten Teilnehmer, antikapitalistische Parolen rufend; dahinter ein bunterer Teil mit Clowns, einem LKW, auf dessen Ladefläche ein halbes Zimmer samt Büchern Platz findet und Demonstranten, die Kinder mitgebracht haben. Eine von ihnen ist Pia*. Sie ist erst vor kurzem nach Friedrichshain gezogen und "begeistert von der Vielfalt". "Ich finde es wichtig, dass es die alternativen Lebensformen noch gibt und will mich auch gerne dafür einsetzen", sagt sie.

Auf Transparenten erklären die Demonstranten "Räumt Knäste und keine Häuser" und "Wir treten Mieterhöhungen entschlossen entgegen". Zwar hatte die Polizei laut den Organisatoren Seitentransparente, die länger als einen Meter fünfzig waren, untersagt. In der Praxis werden jedoch einige toleriert.

Für viele Außenstehende scheint das Anliegen der Proteste trotzdem nicht klar. "Punkerdemo" vermutet ein Mann in den mittleren Jahren gegenüber seiner Freundin, als sie den Protestzug überholen. "Ach, was weiß ich, was das wieder ist, gegen die NPD oder so", sagt eine ältere Frau. Touristen zücken im Vorbeigehen ihre Kameras, sogar aus Autos heraus wird fotografiert.

Zum Ende ist es allerdings vorbei mit der Friedlichkeit. An der Frankfurter Allee Ecke Warschauer Straße schlagen Demonstranten die Scheiben eines Polizeiwagens ein und kippen ihn um. Auch die Scheiben eines Fastfood-Restaurants am Frankfurter Tor werden zerstört. Die Polizei berichtet außerdem von Attacken mit Steinen und Flaschen seitens einiger Demonstranten. Zwölf Teilnehmer werden festgenommen, mindestens ein Haftbefehl wegen "schweren Landfriedensbruchs" ausgestellt.

Demonstranten beschweren sich im Anschluss über ein aggressives Vorgehen seitens der Beamten. Die seien "planlos unterwegs gewesen" und hätten Leute angegriffen. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück. Im Gegenteil seien Polizisten und Einsatzfahrzeuge, sowie das Eigentum Dritter "gezielt angegriffen" worden.

*Name geändert

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10 Kommentare

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  • T
    Toni

    Wirklich erstaunlich einseitige und dümmliche Kommentare da sind ja die Kommentare auf der Internetseite der Berliner Zeitung noch interresanter.

  • M
    mitbeobachter

    die autorin hat bei ihrem text anscheinend den fakt vergessen dass zum einen sehr viele Demonstranten grundlos festgenommen wurden und zum anderen einem herumstehenden Demonstranten durch das Angreifen eines Polizisten einen Schädelbasisbruch zugefügt wurde. Wenns sich Demonstranten wehren hat das zumeist auch einen Grund.

  • LR
    Lieber Rolf S:

    Schön, dass bei Ihnen die tendenzielle Bereitschaft zum Besuch einer Demonstration gegen Gentrifizierung vorhanden ist. Leider urteilen Sie vorschnell:

    Die Gründe für Ausschreitungen liegen in 99 Prozent aller Fälle nicht bei "Autonomen, die sich schlagen wollen", sondern eben an ganz anderen Gründen.

     

    Gehen Sie demnächst doch einfach mal auf eine Demo und beobachten Sie - ruhig kritisch - das Ganze.

    Vielleicht ändert sich danach ihr Bild vom bösen Autonomen und der lieben Polizei.

     

    Ach und:

    War die taz nicht früher mal links? Langsam merkt man davon echt nichts mehr. Schade.

  • E
    eva

    ich kann den nachweis im einzelnen nicht führen, möchte aber aufgrund meiner erfahrungen nicht versäumen, dennoch an dieser stelle daraufhinzuweisen, daß von alters her leider auch immer wieder bezahlte agents provocateur eingesetzt werden, die sich chamäleonmäßig mittels outfit in gott weiß wen verwandeln, um zu ...

    so gesehen können die bedauernswerten handgreiflichkeiten zwischen plötzlich gewalttätigen demonstranten einer friedlichen demonstration und sich dann verständlicherweise wehrenden polizisten durchaus auch hinterfragt werden als möglicherweise bewußte freund-feind-inszenierungen.

     

    auch dies eigentlich eine sehr groteske energie-und zeitverschwendung, wenn man bedenkt, was wir alles schönes gemeinsam machen könnten: z.b.: dächer mit eßbarem begrünen, erde säubern und spalierobst pflanzen und die spree grundreinigen, damit wir da angeln können und schwimmen,-also sowas wär` m.e. eine bessere option, als sich warum auch immer wie und durch wen verkleidet und verleitet zu kloppen, zu verachten und wegzusperren.

     

    allseits ein konstruktives entspanntes frühjahr wünschend

    eva.

  • KK
    koppi kopp

    die linksalternativen zentren in berlin werden, vielleicht bis auf ein oder zwei ausnahmen verschwinden. und friedrichshain, nord - neukölln sowie kreuzberg werden sich in schicke design - stadttaile a là prenzlauer - berg entwickeln. wer es sich nicht leisten kann, der darf ins schöne marzahn abwandern. das ist schlimm. jedoch hat es die linke szene nicht geschafft sich mit den bürgern und einwohnern der betreffenden kietze zu solidarisieren. sie hat keine bürgerinitiativen gegründet, keine informationsveranstalungen usw gegeben, nichts. stattdessen wurde randaliert. auch haben die meisten besetzten häuser über ihre existenz hinaus keinen wirklichen nutzen für die allgemeinheit. dabei ist der unmut der gesamten bevölkerung angesichts der steigenden mieten hoch. solidarisierungseffekte nicht ausgeschlossen. wobei sich diese nach den randalen einigermaßen diskreditiert hätten. die linken igeln sich ein, isolieren sich auf diese weise. vielleicht liegt die mangelnde bereitschaft zur solidarität und bürgernähe auch daran, dass die meisten bügerkinder sich nach erfolgreichem studium einen schick rennovierten altbau am boxhagener - platz oder anderswo werden leisten können. und der unterschichtenmob stört die kinderfreundlichkeit indes doch ungemein. es geht um soziale verdrängung und diskrimminierung, nicht um linke lebensräume. die demonstration bewies nicht nur die unfähigkeit der veranstalter sich differenziert mit dem thema auseinander zu setzen, sondern auch das soziale verdrängung marginalisierter bevölkerungsgruppen im grunde erwünscht ist.

  • D
    Denninger

    ...und nachts ging es dann lustig weiter mit dem Gaststättenüberfallen, Autos anzünden und Säure versprühen.

    Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen dem "schwarzen Block" und der SA der 20er Jahre?

    Und wieso geifert die taz dermassen gegen einen Klamottenladen mit norwegischen Namen und schreibt nichts über die Gewalt des "schwarzen Blocks" und der Unfähigkeit der Autonomen, sich davon zu distanzieren?

    Aber dieser Kommentar wird, wie bei der taz üblich, wieder nicht veröffentlicht oder ge"kürzt".

  • E
    ex-Hainer

    Die liebe Pia* hat wohl nicht ganz begriffen um was es da ging sonst hätte sie sich wohl kaum auf der "Demo" blicken lassen. Gut dass ihre Mitdemonstranten nichts von ihrem kürzlich erdrängten Wohnraum wussten sonst hätte sie vielleicht die Berliner Toleranz und Vielfalt am eigenen Leibe spüren können...

  • RS
    Rolf S.

    Kann ich alles nicht verstehen. Würde mich inhaltlich in vielen Punkten mit dem Demostranten solidarisieren und wäre auch bereit se parktisch durch meine Teilnahme an ihren Demos zu unterstützen, aber jedesmal wenn es eine Demos in Berlin gibt, zu der auch die "Autonomen" kommen - gibt es spätestens nach einigen Stunden auf die Fresse. Jeder Anlass ist dann recht um mal schnell auszuproberen wie stark und welche Kampfkraft man heute eigentlich so hat. Immer gegendie Polizei - so machen die vor allem ein mir sehr wichhtiges Thema in der Öffentlichkeit unvermittelbar: Gewaltexzesse in und von der Polizei. JA, es gibt se immer wieder und auch ohne das sie vorher von irgendwelchen Halbstarken( Sorry wegen der Vokabel - aber mir fällt zu einigen von den autonomen Berufsdemonstranten kein andere Name mehr ein) angeggriffen worden sind. Die Polizei als die Verkörperung des staatlichen Gewaltmonopols muss unsbedingt unter eine unabhängige Aufsicht gestellt werden - gerade einige berliner Hunderdschaften haben das in der jüngeren Vergangenheit eindrucksvoll bewiesen - Gewaltanwendung gegen Bürger im Dienst - rechtsradikale Musik auf dem Weg zu linken Demos etc. pp... Also eine kritische Öffentlichkeit ist hier gefordert. Aber diese ist schwerlich herzustellen, wenn sich dann doch leider immer wieder die Gewaltanwendung aus der Demos heraus begonnen wurde - das sich Polizisten verteidigen ist völlig normal und kann niemanden aufregen.

  • P
    Paul

    Hm, komisch, dass hier nicht erwähnt wird, dass der Anfang der "Krawalle" ein Polizeinsatz war, der durch das Entrollen eines Transparents auf einem Hausdach ausgelöst wurde. Ein Transparent, ein wenig Feuerwerk und Winken. Die Berliner Polizei beantwortete dies, indem promt ein Mannschaftswagen vorfuhr, dem eine Gruppe behelmter Polizisten entstieg, die auf dem Weg zum Eingang des Entsprechenden Hauses quer durch den Demozug drängelten, mit der üblichen Rücksicht, Beleidigen, Schubsen, Umrennen in einer dicht gedrängen Menschenmenge. Daß die Leute die Schnauze voll haben, wundert euch das? Hier wird es gerade zu so dargestellt, als wären die Leute "urplötzlich" ausgerastet, obwohl die Polizei so schön zurückhaltend war. Dass die Sache ins Laufen kam, wegen einem Transparent, n bisschen Pyrotehnik und Winkerei, daß verschweigt ihr. Ebenso, wie daß die Demo auf die Aktion vom Dach allenfalls mit Jubel und Zurückwinken reagierte, also keinerleit Gefahr ausging, oder aggressive Stimmung aufkam. Wo bleibt die Frage nach der Verhältnismässigkeit, wenn die Polizei trotzdem den Knüppel auspackt? Würde gerne mal sehen, ob die Polizei gegen Sonnenbader in ähnlicher Art und Weise vorgeht. Aber sicher, laut Mediendarstellung handelte es bei den Transparentzeigern ja auch um "linke Chaoten". Das Attribut "gemeingefährlich" schwingt dabei mit. Komisch nur, dass bei solchen Aktionen, die seit einigen Jahren in Berlin des öfteren passieren, noch nie Personen zu Schaden gekommen sind... und die Polizei packt die Quartsandhandschuhe trotzdem aus, und Stört scheinbar mit Vergnügen eine derartige Veranstaltung, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits zu 3/4 ihres "Programms" bestritten hatte und das ohne Ausschreiungen, Sachbeschädigungen o.ä., weil die Polizei sich einfach mal zurück gehalten hatte bis dahin. Bei so einer Eskalation, wegen so einer Lapalie, verwundert es doch nicht, wenn es auch im Gegenzug zu Feindseeligkeiten kommt und Wut sich auch relativ ziellos Bahn bricht, wobei ich das nicht gut heißen möchte. Aber ich finde diese Heuchelei, mit der die Staatsgwalt hier argumentiert, einfach nur zynisch.

     

    Zum Thema Quarzsandhandschuhe: Auch an diesem Tag waren mehrere BeamtInnen mit diesen "verbotenen" Ausrüstungsgegenständen unterwegs. Vor Pressevertretern, die dies dokumentieren wollten, wurde aber flugs reißaus genommen... Korpsgeist at its finest, wenn die Kollegen illegale Sachen tun, greift da keiner ein.

  • SS
    sorry, schwach

    sorry, find ich schwach. eine zeitung muß besser recherchieren können, das material dafür lag der redaktion zu füßen. der rest ist redaktionelle faulheit und twitternde ablenkung in meinen augen. ihr seid eine zeitung, kein presse-pr-portal, verdammt. ins horn der "steine...krawalle...die armen autos...die bösen linken jungs..." zu stoßen - damit vertreibt ihr nicht nur blattkäufer, damit entzieht ihr euch selbst auch ganz schön viele klickzahlen, meine lieben. teure klickzahlen. denn: der BILD werdet ihr den platz nicht streitig machen können, deren leser werden dem blatt treu bleiben. ihr verliert halt nur welche. ist nur meine meinung. es gab eine eskalationsstrategie der polizei an der revaler straße und einen vorfall frankfurter allee / petersburger straße - dort hatten sich beamte nach ernsthafter verletzung eines demonstrationsteilnehmers vom tatort einfach entfernt: ohne personalisierte kennzeichnung von uiformen, da such jetzt mal den verantwortlichen, das ist ein schä del ba s i s bruch, verdammt. und taz tut, als wär nichts ge we sen... ich will euch lieber mal nicht sagen, was ich so überall an wievielen orten über euch fluchen höre, aber es ist nciht einfach, das blatt zu verteidigen, wenn die redaktion derartig faulenzt trotz vorhandenem, greifbarem material...