Demo für Freispruch von Yunus und Rigo: Raus aus der U-Haft, rein in die Demo
Waldorfschüler und Antifas demonstrieren für einen Freispruch zweier Schüler, die am 1. Mai in Kreuzberg einen Brandsatz geworfen haben sollen. Die beiden Angeklagten protestieren mit.
"Freispruch für Yunus und Rigo", schallt die Forderung aus dem Lautsprecherwagen. Und Yunus K. strahlt, applaudiert und sagt: "Das tut gut." Später ergreift auch Rigo B. das Mikro. "Danke euch allen, dass ihr das hier macht, uns die ganze Zeit so unterstützt!" Diesmal jubeln die Demoteilnehmer.
Rund 300 Jugendliche und Erwachsene, Waldorfschüler und Antifas zogen am Samstagnachmittag friedlich mit einer Demonstration von der Weinmeisterstraße durch Mitte nach Unter den Linden. Als Mahn-Demo gegen den "Skandal-Prozess" und die "überlange" U-Haft von Yunus K., 20 Jahre, und Rigo B., 17 Jahre, war der Aufzug geplant. Gegen beide Schüler läuft seit September wegen eines Molotowcocktail-Wurfes am 1. Mai der Prozess. Vorwurf: versuchter Mord. Doch am Donnerstag wurden die Schüler nach siebeneinhalb Monaten völlig überraschend aus der U-Haft entlassen. Deswegen überwiegt nun Jubelstimmung auf der Demonstration - auf der auch die beiden jungen Angeklagten mitlaufen, eingemummelt mit Schal und Fellmütze gegen die harschen Minusgrade.
"Donnerstag war die Trendwende im Prozess", freut sich Verteidiger Ulrich von Klinggräff, der ebenfalls unter den Protestierern mitspaziert. "Jetzt läuft alles auf einen Freispruch hinaus." Das Gericht hob mit der Untersuchungs-Haft auch den dringenden Tatverdacht gegen die Angeklagten auf. Zwei Polizisten hatten ausgesagt, die Schüler beim Wurf des Brandsatzes beobachtet zu haben. Es sei aber nicht auszuschließen, so das Gericht am Donnerstag, dass hier eine Verwechslung vorliege und die Brandsatz-Werfer andere seien. Genau dies hatte die Verteidigung von Beginn an reklamiert.
Auf der Demo gibt es immer wieder Applaus über die Freilassung von Yunus K. und Rigo B. Rigo B.s älterer Bruder trägt mit Freunden das Front-Transparent, dahinter skandieren schwarz gekleidete Antifas "Freiheit für alle politischen Gefangenen". In der Mitte des Aufzugs laufen die Eltern, Großeltern und Geschwister der beiden Jungs zusammen mit Mitschülern - die weiße Shirts mit "Freiheit für Yunus und Rigo"-Slogans über ihre Jacken gezogen haben. In ihrer Familie herrsche immer noch Ausnahmezustand, erzählt Rigos Mutter Eva B. gelöst. Ständig würden Freunde und Verwandte anrufen. Immerhin: "Jetzt können wir aber richtig Weihnachten feiern."
Noch aber ist der Prozess nicht vorbei: Am Montag wird das Verfahren fortgesetzt, ein Urteil Mitte Januar erwartet. "Es muss einen Freispruch geben", hofft Yunus K. "Es ist so offensichtlich, dass wir nichts mit dem Molotowcocktail zu tun haben." Zeugen des Wurfes hatten die Angeklagten zudem als Täter ausgeschlossen. "Ich habe immer geglaubt, dass wir rauskommen", sagt auch Rigo B. In der U-Haft habe er sich versucht abzulenken und "alle Angebote mitgenommen, die es gab". Am Freitag hätten sie dann ihre Freilassung mit vielen Freunden in einer Bar groß gefeiert, erzählen die Schüler.
Dennoch, merkt Yunus K. an, werde es noch lange dauern, bis er die Zeit im Knast verdaut habe. Das Wichtigste sei nun der Freispruch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen