Demo "Freiheit statt Angst": Freiheitskämpfern fehlen Feinde
In den vergangenen Jahren wurde die "Freiheit statt Angst"-Demo zum Zentrum der neuen Bürgerrechtsbewegung. In diesem Jahr fehlen Themen und Gegner.
BERLIN taz | Die "Freiheit statt Angst"-Demo ist so etwas wie die Jahreshauptversammlung der neuen digitalen Bürgerrechtsbewegung. Bis zu 25.000 Menschen zogen letztes Jahr durch Berlin, um gegen den "Überwachungswahn" zu demonstrieren, darunter viele mit Fahnen der Piratenpartei. Die freute sich über eine Mitgliederexplosion, kurz darauf bekam sie bei der Bundestagswahl respektable 2 Prozent.
Ein Jahr später stagnieren die Piraten. Und auch die Organisatoren der "Freiheit statt Angst"-Demo fragen sich, wie viele Menschen sie an diesem Samstag auf die Straße bekommen.
Anders als zuvor fehlen der neuen Bürgerrechtsbewegung die klaren Feindbilder. In der Vergangenheit war das Wolfgang Schäuble, dessen Bild die Protestler mit dem Slogan "Stasi 2.0" versahen. Und Ursula von der Leyen, die sich als Familienministerin für Internetsperren im Kampf gegen Kinderpornos ausgesprochen hatte. Für die Netzaktivisten wurde sie zur "Zensursula". Doch mit dem Wechsel ihrer Ministerien taugen die beiden CDU-Politiker der Bewegung nicht mehr als Zielscheibe.
Die Demo startet am Samstag, 11. September, um 13 Uhr am Potsdamer Platz in Berlin. Details unter www.freiheitstattangst.de.
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Die Bürgerrechtler wehren sich gegen Vorratsdatenspeicherung, Ausweisdokumente mit RFID-Funkchip, Abkommen mit den USA über den Austausch von Bank- und Flugpassagierdaten, die Arbeitnehmerdatenbank Elena und die ausufernde Videoüberwachung.
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Zur Demo rufen auf: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Chaos Computer Club, DGB, Humanistische Union, Mehr Demokratie, Freie Ärzteschaft, Pro Asyl, Reporter ohne Grenzen, Whistleblower-Netzwerk. Von den Parteien dabei: FDP, Grüne, Linke, Piraten. (wos)
Das weiß auch Rena Tangens vom Bürgerrechtsverein Foebud, die eine der Organisatorinnen der Demo ist. Schäubles Nachfolger als Innenminister, Thomas de Maizière (CDU), sei eher "Typ Gummiwand", sagt sie. Aber auf einfache Feindbilder könne sie ohnehin verzichten.
So leicht ist es wohl nicht. Die Politik hat ihre Lehren gezogen aus dem Aufstieg der digitalen Bürgerrechtsbewegung und der Piratenpartei. Innenminister de Maizière hat sich mehrmals mit Protagonisten der Netzgemeinde getroffen. Der Bundestag hat eine Enquêtekommission "Internet und digitale Gesellschaft" eingesetzt. Dazu kommen zahlreiche Debattierzirkel, Strategierunden und Analysepapiere. Die Parteien versuchen die neue Bewegung aufzusaugen. Die "Freiheit statt Angst"-Macher sehen die Entwicklung nicht ohne Sorge. "Sie wollen uns einlullen", heißt in einem Aufrufvideo zur Demo. "Darauf fallen wir nicht rein. Wir machen weiter."
Nur wie? Die Aufregerthemen, mit denen die Bewegung mobilisieren könnte, fallen in diesem Jahr aus: Die Vorratsdatenspeicherung - in der jetzigen Form vom Verfassungsgericht kassiert. Die Internetsperren - von der schwarz-gelben Regierung erst mal ausgesetzt. Die Arbeitnehmerdatenbank Elena - von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) infrage gestellt.
Dauerhaft ist zwar keines der Themen abgeräumt, aber für den Moment scheint die Luft raus zu sein. "Es gab in den letzten Jahren große Mobilisierungsthemen, die fehlen in diesem Jahr", sagt Blogger Markus Beckedahl von Netzpolitik.org, auch er einer der Organisatoren von "Freiheit statt Angst". Dennoch hofft Beckedahl wieder auf "viele tausend Teilnehmer". Schließlich könne man auf der Demo viele Menschen offline treffen, die man den Rest des Jahres nur online trifft.
Dem Aufruf zur Protestaktion haben sich mehr als 100 Organisationen angeschlossen. Es ist ein bunter Haufen, vom Chaos Computer Club über Freie Ärzteschaft und Gewerkschaft Ver.di bis zu Pro Asyl.
Merkwürdig, dass den Veranstaltern bei einer solch langen Unterstützerliste noch Geld für die Demo fehlt. 10.000 bis 15.000 Euro bräuchte man noch, um die Kosten für Technik, Toiletten oder die Bühne zu decken, sagt Rena Tangens. Deshalb betteln die Bürgerrechtler nun online um Spenden. Kurz wurde sogar über eine Absage der Demo diskutiert. Freiheit ist eben nicht umsonst zu haben.
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