Dem renommierten Archiv der Jugenkulturen fehlt Geld: Jugend droht Gedächtnisverlust

Das Archiv der Jugendkulturen erforscht seit Jahren den Alltag von Teenagern. Jetzt schlagen die Macher Alarm: Ohne Förderung können sie nicht mehr lange existieren.

Punk gilt zwar schon seit Jahren als tot, droht nun aber dennoch als Jugendkultur das Archiv der Jugendkulturen zu überleben Bild: dpa

Nach zwölf Jahren steht das Archiv der Jugendkulturen in Kreuzberg vor dem Aus. "Das Archiv ist zu groß geworden, wir können es langsam nicht mehr privat finanzieren", sagt der Leiter Klaus Farin. Öffentliche Förderung habe man nie bekommen, man halte sich seit 1998 überwiegend durch private Spenden und ehrenamtliche Arbeit am Leben. Der Verkauf von Eigenpublikationen als einzige Einnahmequelle reiche nicht aus, die Monatsmiete von 5.300 Euro für die 700 Quadratmeter in der Fidicinstraße zu bezahlen.

"Meine Mitarbeiter und ich schießen jeden Monat 1.500 Euro Mietkosten aus der eigenen Tasche zu", sagt Farin. Ende Oktober muss der Mietvertrag für weitere drei Jahre verlängert werden. Bis dahin will das Archiv eine Stiftung gründen, um eine längerfristige Perspektive zu haben. Dafür brauchen die Jugendforscher 100.000 Euro Kapital - bislang besitzen sie erst ein Drittel.

Das Kreuzberger Archiv ist das einzige seiner Art in Deutschland. Die Sammlung von Flyern, Fanzines, Tonträgern und anderen Produkten verschiedener Jugendszenen entstand aus Farins Privatsammlung. Schon als Schüler in Gelsenkirchen hortete er alles, was es über Punks, Skinheads und andere Szenen zu erfahren gab. Verwundert darüber, dass es noch keine Archivierung jugendkultureller Zeugnisse gab, gründete er mit Gleichgesinnten eine eigene Forschungseinrichtung. Das Archiv, das mit 185 Quadratmetern begonnen hatte, wächst seitdem stetig. 28 überwiegend ehrenamtliche MitarbeiterInnen organisieren Ausstellungen und Workshops für Schulklassen, betreiben Medienforschung - und erklären Lehrern, Journalisten und Sozialarbeitern, was Emos sind und wie die Skinheadbewegung entstand.

"Wer sich auf die Realität einlässt, muss die beruhigende Eindeutigkeit aufgeben" - unter diesem Motto bemühen sich die Jugendforscher stets um Differenzierung. Den gängigen Pauschalisierungen von Politikern, Trendforschern und besorgten Pädagogen setzen sie geballtes Insiderwissen und Szenenähe entgegen.

Für ihre Ausstellungen und Publikationen wurde die Mitarbeiter des Archivs wiederholt ausgezeichnet, sie erhielten Projektmittel vom Berliner Integrationsbeauftragten und der EU. Für eine institutionelle Förderung aber reichte es bislang nicht. "Es ist schwer, jemanden zu finden, der sich für uns engagiert", beklagt Farin. Das liegt auch daran, dass das Archiv nicht leicht einzuordnen ist: Die Kulturverwaltung bedauert auf taz-Anfrage, für eine Förderung solcher Projekte nicht zuständig zu sein. Im Berliner Landesarchiv verweist man darauf, dass eine Förderung freier Archive bislang unbekannt sei. Die Kulturstiftung der Länder, bei der Farin anfragte, findet seine Forschungsarbeit zwar sympathisch, aber nicht relevant genug.

Die Bundeszentrale für politische Bildung immerhin hat das Archiv der Jugendkulturen im vergangenen Jahr in ihre Projektförderung aufgenommen. Als "anerkannter Träger" können Farin und seine MitstreiterInnen regelmäßig Zuschüsse für Veranstaltungen beantragen. Mehr sei leider nicht drin, bedauert Förderungs-Referatsleiterin Cornelia Schmitz.

Farin setzt einstweilen seine Hoffnung auf das Zustandekommen einer Stiftung. Davon könne man zwar auch nicht die Miete zahlen, "aber mit einer Perspektive im Rücken halten wir vielleicht noch ein, zwei Jahre durch".

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