■ Dem Grünen Punkt des Dualen Systems droht das Ende: Umweltgruppen werden kalt erwischt
Die Umweltverbände haben ihren Frieden mit dem Grünen Punkt geschlossen und werden plötzlich gar unfreiwillig zu Verteidigern eines ungeliebten Systems, das Abfall nicht vermeidet, sondern nur unvollkommen recycelt. Das System wird demontiert. Im Lahn-Dill-Kreis wird der gelbe Sack durch einen blauen ersetzt und der große Teil des Mülls getrocknet und dann doch wieder verbrannt. Konzerne wie Rewe und Metro nutzen die Gunst der Stunde, um dem verhaßten, weil für sie teuren Grünen Punkt endlich den Garaus zu machen.
Allen Beteiligten ist klar, daß bei einem Aus des Dualen Systems die Rückkehr der flächendeckenden, unsortierten Müllverbrennung droht. So akribisch die Deutschen ihren Müll auch sortieren – in Fleisch und Blut ist es ihnen nicht übergegangen. Fehlt einmal die gelbe Tonne oder der gelbe Sack im Hof, werden die alten Verpackungen schulterzuckend wieder in die graue Tonne geworfen. Das Problem ist nun, daß auch die Umweltverbände keine ökologisch bessere Lösung vorzuweisen haben, sollte das Duale System tatsächlich dahinscheiden. Also verteidigen sie es lieber halbherzig.
Offenbar waren sie seit dessen Gründung 1991 so damit beschäftigt, sich an den Fehlern des Dualen Systems abzuarbeiten und Joghurtbecher mit einem Grünen Punkt auf den Müllhalden der Dritten Welt aufzuspüren, daß sie darüber vergaßen, an einem besseren Konzept zu arbeiten. In ihren Schubladen liegt jedenfalls keines.
Noch schlimmer: Sollte der Grüne Punkt scheitern, ist nicht einmal damit zu rechnen, daß der Wirtschaft in naher Zukunft ein vergleichbares Entsorgungssystem abgehandelt werden kann. 1991 war Umwelt noch ein Thema, 1998 ist sie es nicht mehr. Was zählt, sind Arbeitsplätze um jeden Preis. Da unterscheiden sich auch SPD-geführte Bundesländer nicht von der Bundesregierung. Daß sie nun mit ihrer bisherigen Ablehnung von Merkels Verpackungsnovelle im Bundesrat indirekt zum Fall des Grünen Punkts beitragen könnten, ficht sie offenbar nicht an.
Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wollen der Verpackungsnovelle am 29. Mai im Bundesrat nicht zustimmen, weil sie Handwerk und Mittelstand finanziell belasten würden. Denn diese wären durch die Novelle gezwungen, nicht länger Trittbrettfahrer bei den Serviceverpackungen zu bleiben und hier, wie der Großhandel auch, für den Grünen Punkt zu bezahlen. Genau hier liegt die Bruchstelle, an der Konzerne wie Metro und Rewe bequem den Hebel ansetzen können. Die Umweltverbände haben dem nichts entgegenzusetzen. Niels Boeing
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