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Delikatessen einer Diva

■ Zeitgenössisches und Klassische Moderne: Zum 40jährigen Bestehen seiner Galerie präsentiert der Berliner Kunsthändler Dieter Brusberg die Überblicksausstellung „Wegzeichen“

Gerhard Altenbourgs Arbeiten mußten ein Stück zusammenrücken. Statt dessen bekamen Heike Ruschmeyers neue Bilder mehr Platz: Eine Reihe Kinderköpfe von 1998 hängt nun an der großen Wand – hell gemalt, wie in Mondlicht getaucht. Die Augen verschlossen, drehen und wenden sie sich in geheimer Zwiesprache einander zu und wieder ab, während der kleine Junge in der Mitte den Betrachter fassungslos anblickt. Was ist passiert? Waren es nicht immer Tote, die Heike Ruschmeyer gemalt hat?

Nebenan ist eine weitere Kopfserie der Malerin von 1997 zu sehen, kadmiumgelb und kleinformatig, und schließlich der monumentale 240 Zentimeter hohe rote Kopf eines Kindes, der sich in einer großen rasenden Bewegung zurückzuwerfen scheint. Ruschmeyers Bilder vertragen sich gut mit den stillen Zeichnungen Altenbourgs, die wie die Werke von Rolf Szymanski, Walter Stöhrer, Horst Antes, Jürgen Brodwolf und anderen zu den elf „Wegbegleitern“ gehören, denen Dieter Brusberg in seiner Überblicksausstellung zum 40jährigen Bestehen seiner Galerie seine elf „Wegweiser“ – Klassische Moderne – gegenüberstellt und damit die zwei Stränge seiner Arbeit als Galerist und als Kunsthändler vorstellt. Unter den letzteren befinden sich wirkliche Besonderheiten wie das Bild von Max Ernst „Qui est-ce grand malade...?“, das der Künstler 1923/24 in Paris gemalt hat, und „L'apparition“ von René Magritte aus dem Jahr 1928, Delikatessen, die auch Museumsstücke sein könnten.

Seit 17 Jahren residiert Dieter Brusberg in dem prunkvollen Gebäude am Kurfürstendamm, Ecke Uhlandstraße in Berlin, nachdem er mehr als 20 Jahre in Hannover, zunächst mit dem „Einrichtungsstudio und Galerie Dieter Brusberg“, dann als „Galerie Brusberg im Kubus“ kunsthändlerisch tätig war.

Brusberg, der von sich selbst als Kunsthändler spricht und die „moderne“ Bezeichnung „Galerist“ ablehnt – „viele mögen den Zusammenhang zwischen Kunst und Geld nicht“ –, begann mit abstrakter Kunst, womit er im Nachkriegsdeutschland der 50er Jahre einige Probleme hatte. Dennoch zeigte sich bald seine Vorliebe für figürliche Malerei: Der Titel der Ausstellungsreihe „Bilder vom Menschen“ in den achtziger Jahren, die Werke von de Chirico, Picasso, Bacon und Giacometti zeigte, könnte programmatisch für die Arbeit der Galerie stehen, die kunsthändlerisch ihren Schwerpunkt in Surrealismus und Dada und im Bereich der Skulptur gefunden hat.

Seinen Kontakt zu den offiziell anerkannten und bis heute umstrittenen Künstlern in der DDR – Heisig, Mattheuer und Tübke, die nach wie vor im Galerieprogramm enthalten sind – bekam Brusberg durch den Staatlichen Kunsthandel in den 70ern, Jahre nachdem er den unangepaßten und einzelgängerischen Altenbourg über die Galerie Springer kennengelernt hatte. 1964 war seine erste Altenbourg- Ausstellung in Hannover eröffnet worden. Ende der 80er Jahre zeigte Brusberg im Neuen Kunstquartier in Berlin-Wedding „Zeitvergleich '88. Aktuelle Malerei aus der DDR“.

Als „vornehmste Galerie der Stadt“ wurde die Galerie Brusberg schon einmal etwas spöttisch bezeichnet. Der im Umgang mit seinen Mitmenschen oft eigenwillige und schwierige Kunsthändler mit dem Auftreten einer Diva zeigt auch in seiner Überblicksausstellung „Wegzeichen“, daß es ihm aufs Detail ankommt. Aufwendig präparierte Räume, Hängung, Einladungskarte, Kataloge aus der eigenen Edition und die Eröffnungen – alles wird sorgfältig vorbereitet und edel präsentiert.

Hinsichtlich der Kunst, bei der Brusberg oft Gespür bewiesen hat, kommen Kompromisse vor. Fernando Botero zum Beispiel, er ist mit einigen großformatigen Bildern vertreten und erzielt auf dem Kunstmarkt horrende Preise, ist schon lange allzu glatt geworden und mutet neben den qualitätsvollen Werken, die die Ausstellung zeigt, wie moderne Salonmalerei an. Cornelia Gerner

Bis 30. Januar 1999, Galerie Brusberg, Kurfürstendamm 213, Charlottenburg. Öffnungszeiten: Dienstags bis freitags von 10 bis 18.30 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr

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