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Debütroman von Fabian HischmannAb und an macht es Peng

Hischmann ist mit „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Es geht um einen melancholischen Loser.

Schreibt über Tannenzapfen, Glühwürmchen und Identitätsfindung: Fabian Hischmann. Bild: Rabea Edel/Berlin Verlag

Vielleicht hat Fabian Hischmann sich gedacht: Wer mit Blut anfängt, kann nicht viel falsch machen. Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ fängt mit dem Geruch von Blut und Kaffee an, und dieser Geruch ist das vorgezogene Ende der Geschichte. Fabian Hischmanns Roman „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ fängt mit blutigen Händen auf einem Lenkrad an, und auch die gehören eigentlich schon zum Romanende. Kann man machen.

Das Gold aus dem Titel sind eigentlich Tannenzapfen, die Kinder beim Spielen „Gold“ nennen. Das sagt schon gar nicht so wenig über das ganze Buch.

Fabian Hischmann, 1983 in Donaueschingen geboren, hat Kulturwissenschaften und Literatur studiert, „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ ist sein Debütroman. Die Hauptfigur, Max, ist ein melancholischer Loser. Er ist Mitte zwanzig, arbeitet als Lehrer und würde sich freuen, wenn seine Nachbarn mal Freundinnen mitbringen würden, „Freundinnen, mit denen man einfach so Sex haben könnte.“ Weil das nicht passiert, sitzt er auf dem Sofa, guckt Tierfilme, schläft ein und sabbert ins Kissen.

Max soll in den Sommerferien auf das Haus seiner Eltern aufpassen. Er trifft Maria, seine Exfreundin. Sie wohnt inzwischen mit Jan in einer Art Landkommune in der Nähe von Max’ Elternhaus. Max findet Jan erst blöd, dann heiß, dann kompliziert. Zwischendurch stellt er sich vor, wie er einen Revolver aus dem Hosenbund zieht und alle über den Haufen schießt. Macht er nicht.

Plötzlich sind die Eltern weg

Trotzdem hört immer wieder ein „Peng!“ – Leute, die in der Gegend jagen oder die Tür, die ins Schloss fällt. Möglicherweise bildet er es sich aber auch nur ein. Als Max eines Abends Glühwürmchen sieht, denkt er: „Vielleicht wird ab jetzt alles gut.“

Wird es aber erst mal nicht, weil nämlich Max’ Eltern auf Kreta sterben, wegen einer Gasexplosion im Ferienhaus („Peng“), und Max hinfliegen und sich kümmern muss. Im Zuge dessen schmeißt er seinen Job hin, wird Tierfilmer („ein Waisenkind mit einer Kamera“) und reist nach New York, wo er einen Dealer mit einer Waffe bedroht, um eine Zwangsneurose loszuwerden.

Die Erzählung wird schneller, als die Eltern sterben, und das ist erholsam im Vergleich zum trägen Anfang. Leider liest sich das ganze Buch wie eine Übung in „kreativem Schreiben“: „Über uns kleben die Sterne, unter uns eingetretene Kaugummis.“

Hischmann beschreibt Dinge, die sehr langweilig sind, sehr gründlich. Flecken auf einem Tisch bilden „ein Mosaik aus Kerzenwachs, Brand- und Alkoholflecken, eine klebrige Reminiszenz an vergangene Sommerabende“, der Zucker in einer Erdbeermarmelade „zieht am Gaumen und an den Synapsen“.

Spatzen wie Laserkanonen

Dazwischen: Gewaltfantasien, Selbstmordgedanken, Spatzen. „In den Baumkronen über uns lärmt ein Spatzenclan. Das Geräusch erinnert an ein Laserkanonensperrfeuer.“ Und weil das nicht reicht, um die Geschichte irgendwie wild zu machen, spart Hischmann nicht an Körperflüssigkeiten. Es gibt Spucke, Sperma, Blut und Kotze und immer wieder Pisse. Die Hauptfigur pinkelt in die Büsche, der bedrohte Dealer pinkelt sich in die Hosen, ein Hund schnüffelt an Hundepisse.

Es wird alles nicht besser, als sich irgendwann im Laufe der Geschichte ein eigenartig verkürzter oder verdrehter Satzbau einschleicht. „Nach dem Essen vergrößert der Wirt unsere Gläser, bekommen wir die doppelte Menge Schnaps.“ – „Später sind wir bei ihren Eltern eingeladen, wird es Fondue geben.“ – „Dann ist Frühling, sitzen wir in unserem Garten.“

Für die Figur Max gibt es ein Happy-End, er hat viel Geld (das Erbe), schenkt einer Drogenabhängigen Drogen und Geld (in New York), vögelt eine Creative-Writing-Studentin, findet Freunde (die Landkommune wird aufgelöst, alle ziehen ins Haus seiner Eltern). Für Max ist das eine geglückte Identitätsfindungsstory. Für alle, die nicht Max sind, ist es die langweilige Geschichte eines Losers.

Fabian Hischmann: „Am Ende schmeißen wir mit Gold“. Berlin Verlag, Berlin 2014, 256 Seiten, 18,99 Euro

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2 Kommentare

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  • M
    murmeln

    schienenersatzverkehr - hab ma gekringelt vor lachen. nach den kommentaren zu urteilen war ich wohl der einzige, nunja, so unterschiedlich isses. schauen wamal wie der göldene depütiant abschneidet.

    • @murmeln:

      Der Verriss gefällt mir, weil er den Verlag trifft und die verschrobene Literaturszene, die jeden Sinn für eine gute Story verloren hat. Statt dessen geht es um literarischen Schnick-Schnack, den jeder erlernen kann und den der Rezensent deutlich genug persifliert. Leider sind die Jurys, welche Literatur-Preise verleihen, von der gleichen Sorte wie die Verlagslektoren. Man arbeitet Hand in Hand für die Langweiligkeit der deutschen Gegenwarts-Literatur.