piwik no script img

DebatteFriedensforum versus Grüne

Das Friedensforum fragte die Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck, wie sie es mit dem Frieden halte. Grüne Friedenspolitik, kontert sie, stelle sich auf die Seite der Opfer.

Viele Frauen in Afghanistan, sagt Marieluise Beck, empfänden die Soldaten der ISAF-Truppen als Schutz. Bild: dpa

BREMEN taz | Am 22. September sind Bundestagswahlen – da macht auch das Bremer Friedensforum mobil. Denn am 1. September jährt sich der Angriff der deutschen Wehrmacht auf Polen und damit der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Seit Beginn der 1950er-Jahre wurde dieser Tag in der Deutschen Demokratischen Republik als „Tag des Friedens“ begangen und 1957 unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ von den Gewerkschaften in der Bundesrepublik als Aktionstag eingeführt.

Die anstehenden Wahlen seien ein Anlass für die Frage, wie die Kandidatin zum „Stopp der Militarisierung in Deutschland“ stehe, schrieb das Friedensforum an die grüne Abgeordnete und Bundestagskandidatin Marieluise Beck. Während sonst im Wahlkampf viele Allgemeinplätze bewegt werden, nahm Beck die Fragen des Friedensforums durchaus ernst – und antwortete schriftlich.

„Während Sie die Auslandseinsätze der Bundeswehr offenbar pauschal als negative Grenzüberschreitung sehen, lautet die Schlussfolgerung der Grünen aus den Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts, dass wir uns auf die Seite der Opfer stellen müssen“, heißt es in ihrem Brief. Das bedeute „Verbot jeglicher Angriffskriege“. Und was tun, wenn es Angriffskriege gibt? Immerhin wurde der nationalsozialistische Angriffskrieg nicht durch Friedensforen gestoppt, sondern durch bewaffnete Soldaten und Bomber, also durch militärische Einmischung.

Syrien liegt dem Friedensforum am Herzen, „jegliche militärische Einmischung beenden“ ist deren Forderung. „Dort haben Sie leider vergessen“, kontert Beck, „dass die Waffenlieferungen aus Russland an den Schlächter Assad den Krieg in Syrien in verantwortungsloser Weise befeuert haben.“

„Kein Krieg gegen den Iran. Sanktionen beenden“ ist eine andere Parole des Friedensforums. Es führe niemand Krieg gegen den Iran, antwortet Beck, das Friedensforum würde aber „vergessen, dass der Iran sich den selbst eingegangenen Verpflichtungen des Atomwaffensperrvertrags entzieht“. Der Iran, der in der Polemik des Friedensforums als Opfer dargestellt würde, sei in Wahrheit Kriegstreiber in der Region: „Präsidenten des Iran sprechen immer wieder von dem Ziel, den ’zionistischen Staat Israel auszulöschen‘, so auch der vermeintlich liberale Präsident Rohani, der Israel als ’Wunde im Körper der islamischen Welt‘ bezeichnete und weiter Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah unterstützen will. Die Hisbollah wiederum greift aktiv auch in den Krieg in Syrien ein und trägt zu weiterer Eskalation der Gewalt bei.“ Das kritisiert das Friedensforum nicht.

Seine Kernforderung ist: „Den Krieg in Afghanistan sofort beenden – alle Truppen zurückholen.“ Auch hier ist die Haltung im Wesentlichen anti-amerikanisch – als die sowjetischen Truppen 1979 in Afghanistan waren, hatten die Vertreter des Friedensforums daran nichts auszusetzen. „Ich habe dem von der UN mandatierten internationalen Truppeneinsatz der ISAF zugestimmt“, bekennt indes Marieluise Beck: „Bei mehreren Reisen nach Afghanistan habe ich immer wieder vor Ort festgestellt, dass die internationalen Truppen in der Bevölkerung von Afghanistan als Schutz empfunden werden, insbesondere haben mir das afghanische Frauen und Frauengruppen versichert.“

Dass die ISAF-Truppen sich nach zehn Jahren nun zurückziehen, „finde ich richtig“, sagt Beck, „aber ich mache keinen Hehl daraus, dass ich in großer Sorge bin, ob die afghanische Regierung willens und in der Lage ist, Menschenrechtsstandards wie den Schulbesuch von Mädchen und auch ganz allgemein die Rechte von Frauen aufrechtzuerhalten“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • K
    Kimme

    Die Grünen würden ja am liebsten die Rebellen in Syrien mit Waffen beliefern. Leider vergessen sie, dass es sich dabei zum Teil um islamische Extremisten handelt, die Assad, welcher für einen sakulären Staat steht, aus dem Weg räumen wollen, um einen islamischen Staat inklusive Scharia zu errichten. Man hat also derzeit die Wahl zwischen Pest un Cholera in Syrien. Deswegen finde ich es auch richtig, sich aus dem Konflikt komplett rauszuhalten.

    Auch dass die Grünen schon laqnge keine Friedenspartei mehr ist, ist kein Geheimnis.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Kimme:

      Es ist ein Fehler, bzw. ein Zeichen von Bewußtseinsschwäche, wenn man den Figuren des "demokratischen" Parlamentarismus immernoch Fragen stellt, auch wenn es berechtigt sehr zweifelhaft ist, daß diese wissen was sie tun, nämlich dem Chaos für die Profitler des Systems stets den Boden zu bereiten - Wenn der "arabische Frühling" Blüten tragen würde, dann gäbe es Fragen nach Solidarität und wirtschaftliche Hilfe in Form eines Marshall-Plans, die dieses System nicht beantworten, bzw. leisten kann / soll!

       

      Die Grünen sind ein logisches Symptom der systemrationalen Verkommenheit - in dieser konfusionierten Welt- und "Werteordnung" hat Frieden selbstverständlich viele / multischizophrene Bedeutungen / "Wahrheiten"!