Debatte: „Wut bis zum Hals“
■ Hans Koschnick zum Kosovo-Krieg
Nach Ansicht von Hans Koschnick sind vor dem Kosovo-Krieg einige Chancen vertan worden. Seit zwei Jahren plädiere er für eine friedliche Lösung in der Krisenprovinz Serbiens. „Ich erlebe im Kosovo all das, was uns in Bosnien schon einmal vorgeführt wurde. Mir steht die Wut bis zum Halse, wenn ich daran denke, daß man als Kassandra durch die Gegend läuft und keiner zur rechten Zeit darauf hört, was man sagt.“
Der deutsche Bosnien-Beauftragte Koschnick hat sich derweil dafür ausgesprochen, daß UN-Generalsekretär Kofi Annan mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic verhandeln sollte. „Milosevic will natürlich nicht mit Nato-Vertretern reden. Kofi Annan an der Spitze der UN wäre der Mann für eine solche Aufgabe.“
Die Kosovo-Flüchtlinge wollen nach Einschätzung Koschnicks in der Nähe ihrer Heimat bleiben. „Wenn aber auf lange Zeit der Krieg weitergeht, werden die Menschen erneut nach Mitteleuropa hineinströmen. Sie werden dahin gehen, wo die meisten Angehörigen sind: Das sind die Schweiz und Deutschland.“
Koschnick warnte gleichzeitig davor, das serbische Volk für den Balkan-Konflikt verantwortlich zu machen. Wer den Serben für das „Wüten des skrupellosen, menschenverachtenden Diktators“ kollektiv die Schuld gebe, sollte bedenken, daß gerade die Deutschen „so lange und auch so leidvoll“ für die Taten von Adolf Hitler in Verantwortung genommen wurden. Die Bundeswehr kämpfe darum, „daß so etwas in Europa nie wieder passiert“.
Im Balkan-Krieg gehe es nicht um Gut oder Böse, sondern allein um die Menschen. Neben den „geschundenen Kosovaren“ brauche auch die notleidende serbische Bevölkerung Hilfe und Verständnis. Vor allem den „zu zigtausenden“ aus ihren Dörfern vertriebenen Kosovo-Albanern müsse schnelle Hilfe zukommen. Diese Unterstützung sei vorrangig in Albanien und Mazedonien erforderlich, „in der Region, wo ihnen ein Leben im eigenen Kulturkreis ermöglicht werden kann“, fügte Koschnick hinzu. dpa/ap
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