Debatte ums Urheberrecht: Wunsch und Wirklichkeit
Wenn alles Verbieten nichts nützt: Der „Wirtschaftsdialog“ bringt Rechtevertreter und Internetwirtschaft zusammen. Nun kursiert eine Liste von möglichen Ergebnissen im Netz.
Der „Wirtschaftsdialog für mehr Kooperation bei der Bekämpfung der Internetpiraterie“ ist ein politischer Kaffeeklatsch unter Ungleichen: auf der einen Seite sitzen die, die ihre Geschäftsmodelle vom Internet bedroht sehen. Und auf der anderen Seite sitzen die, deren Geschäftsmodell der Zugang zum Internet ist.
Auf Einladung des Wirtschaftsministeriums sitzen sich seit Ende 2008 zwei Seiten gegenüber, die gar nicht die eigentlichen Kontrahenten sind: die „bösen“ aus Sicht der Rechteinhaber sind nicht die Anbieter von Internetzugängen oder Speicherorten im Netz. Sondern diejenigen, die widerrechtlich Datenpakete mit urhebeberrechtlich geschützten Inhalten über deren Leitungen jagen, sprich: die Nutzer.
Da aber alles Verfolgen, Verklagen und Verbieten bei den Nutzern bislang nicht fruchtete, versucht das Wirtschaftsministerium, diese beiden Mitspieler zu gemeinsamen Lösungen zu bewegen, während man die Nutzer drei Jahre lang außen vor ließ. Nur: Bewegen tut sich seit dem Start kaum etwas. Das könnte sich ändern, wenn man einer Liste Glauben schenkt, die vor einigen Tagen im Internet auftauchte.
Der Arbeitskreis gegen Zensur im Internet („AK Zensur“) hatte eine Art „Ergebnisliste“ veröffentlicht, worauf sich die beiden Wirtschaftsseiten vielleicht geeinigt haben sollen. Die Liste führt einige Maßnahmen auf, durch die die unzulässige Verbreitung von Inhalten im Netz erschwert werden soll. So sollte beispielsweise die Werbewirtschaft dafür sorgen, dass künftig auf einschlägigen Internetseiten keine seriöse Werbung mehr geschaltet wird. Und auch eine Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit zur Bekämpfung solcher Seiten soll angestrebt werden, wenn es nach der Zehn-Punkte-Liste geht.
Gerade an diesen beiden Punkten wird bereits das Problem deutlich: selbst wenn sich die Wirtschaft untereinander hier auf einen Grundkonsens einigen könnte – die konkrete Ausgestaltung wäre kaum gemeinsam tragbar. Während die Rechtevertreter immer wieder Angebote als Hort des Bösen klassifizieren, verweisen die Vertreter der Netzwirtschaft darauf, dass die meisten Angebote sowohl für legale wie illegale Zwecke genutzt würden und daher eine Pauschalbetrachtung nicht in Frage komme. In der Liste sind zudem einige Ideen enthalten, die noch weit über das hinausgehen, was man bislang von den Rechteinhabern an Wunschvorstellungen kannte: man wolle nun neben Anschlussinhabername und Adresse künftig auch noch E-Mailadresse, Bankdaten und weitere vom Nutzer genutzte IP-Adressen bekommen können.
Leere Hände
Diese Forderungen kamen wohl erstmals bei der vergangenen Runde Mitte März auf den Tisch und dürften weder technisch sinnvoll noch im Rahmen dessen liegen, was das Bundesverfassungsgericht unter anderem im Vorratsdatenspeicherungsurteil als Messlatte anlegte. Aber offenbar stehen die Rechteverwerter am Ende eines dreijährigen Prozesses, bei dem sie sich von der neuen CDU/CSU- und FDP-Bundesregierung die Erfüllung ihrer lange bekannten Wunschlisten zur Pirateriebekämpfung erhofften, mit weitgehend leeren Händen da: kein französisches Hadopi-Three-Strikes-Modell, wohl nicht einmal ein 2-Strikes-Verwarnmodell ist mit deutschem Recht vereinbar und zugleich politisch durchsetzbar.
Derzeit wird im Bundesministerium der Justiz auch noch eine effektive Deckelung der Abmahngebühren ausgearbeitet und auch aus der Union gibt es viele Stimmen, die dies für richtig und zeitgemäß halten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Anschlussinhaber-Beauskunftung zwar nicht komplett, aber doch mit hohen Hürden versehen – die noch höher werden könnten, wenn IPv6 sich endgültig zum Adressstandard im Internet aufschwingt, was in den kommenden Jahren der Fall sein wird.
Eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl ist eines klar: die Situation ist verfahrener als zuvor, die Rechteinhaber fordern immer weiter das, was sie schon lange forderten. Und legen immer wieder ein Schippchen drauf, als ob ihre alten Vorschläge dann moderater erscheinen sollten. Nur machbar ist kaum einer von ihnen – selbst wenn man gar nicht erst fragt, ob es zielführend oder wünschenswert wäre. Weshalb sich nicht nur das Bundeswirtschaftsministerium fragen muss, ob der sogenannte Wirtschaftsdialog denn tatsächlich fortgesetzt werden sollte.
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