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Debatte um Wildtierverbot im ZirkusFröhliche Dressur oder böse Tortur?

Seit Jahrzehnten wird ein Verbot von exotischen Tieren im Zirkus gefordert. Nun unternehmen die Tierschützer von Peta einen neuen Anlauf mit 600.000 Unterschriften.

Katzenarbeit: Spass scheinen diese Mähnenträger während einer Zirkusvorstellung nicht zu haben. Bild: dpa

BERLIN/EINBECK dpa | Ein geschmückter Zirkuselefant liegt auf der Straße erschöpft an ein Auto gelehnt. Schüsse fallen, die lederne graue Haut verfärbt sich rot vor Blut. Ein Video der Tierrechtsorganisation Peta zeigt die letzten Minuten im Leben der afrikanischen Elefantenkuh Tyke vor 20 Jahren auf Hawaii. Am 20. August 1994 wurde das 3.600 Kilo schwere Tier in Honolulu mit 86 Schüssen von Polizisten niedergestreckt, nachdem es in der Manege zuvor seinen Trainer getötet hatte und geflohen war. Der gewaltsame Tod von Tyke ist für Gegner der Haltung und Dressur von exotischen Tieren weltweit zu einem Symbol geworden.

An diesem Mittwoch will Peta mehr als 600.000 online gesammelte Unterschriften an das Bundesagrarministerium übergeben. Es ist ein neuer Anlauf, das seit Jahrzehnten diskutierte Wildtierverbot im Zirkus durchzusetzen. Das Bundesrat hatte bereits 2003 und zuletzt 2011 gefordert, unter anderem Elefanten, Bären und Flusspferde aus den rund 400 von Ort zu Ort ziehenden Betrieben zu verbannen.

Aus Sicht von Tierschützern können die Exoten auf den Tourneen weder artgerecht gehalten werden noch sei eine Dressur ohne Hiebe möglich. Die Zirkusse dagegen beteuern, dass die Tierlehrer keine Gewalt anwenden. „Unsere Raubkatzen sind von klein auf an den Menschen gewöhnt“, sagt Dieter Seeger, Tourneeleiter des in Einbeck ansässigen Zirkus Charles Knie. „Ohne Tiere könnten wir dichtmachen“, warnt er. Und ergänzt, dass in Österreich nach dem 2004 beschlossenen Wildtierverbot die Zirkuskultur zusammengebrochen sei.

„Nur ein Zirkus mit Tieren ist ein richtiger Zirkus“, betont auch Max Siemoneit-Barum, Tierschutzbeauftragter des Münchner Circus Krone. In Deutschland haben einige Kommunen Regelungen zum Verbot bestimmter Tierarten auf städtischen Flächen getroffen, gegen die sich die Betriebe teils vor Gericht wehren. Wenn die Artisten und Dompteure ihre Zelte aufbauen, kommen vielerorts nicht nur neugierige Kinder an der Hand ihrer Großeltern, sondern auch Tierrechtler mit Protestplakaten.

„Tiere gehören zum Circus“

Gegen die Peta-Kampagne, die von Prominenten wie Schauspieler Sky du Mont unterstützt wird, stellt sich das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus“. „Tierrechtler behaupten immer wieder, dass Elefanten im Zirkus nur die Hälfte ihrer natürlichen Lebenserwartung erreichen. Diese Behauptung ist falsch“, sagt der Sprecher des Bündnisses, Dirk Candidus.

Doch ist es noch zeitgemäß, dass Elefanten Männchen machen oder Tiger durch brennende Reifen springen? Schließlich können Kinder exotische Tiere auch im Zoo oder durch Fernsehfilme kennenlernen. Der Schweizer Elefantenexperte Fred Kurt hat als Tierpfleger im Zirkus Knie angefangen. Heute sieht er die Dickhäuter in den Manegen fehl am Platz. „Die Elefanten werden mit allerlei Tricks gezwungen, aufrecht zu gehen“, sagt der Biologe. Die Folge seien überforderte Glieder, Gelenke und Sehnen.

Die Bundestierärztekammer hat sich bereits 2010 für ein Wildtierverbot im reisenden Zirkus ausgesprochen. Elefanten, die für lange Zeit angebunden sind, entwickeln Studien zufolge vermehrt stereotype Verhaltensweisen. Bei Großkatzen hätten Untersuchungen aber keine erhöhte Stressbelastung unter Zirkusbedingungen ergeben, berichtet Jörg Pfeiffer von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz.

„Eine Haltung von Bären und Affen ist abzulehnen, da diese nicht tiergerecht im Zirkus gehalten werden können“, sagt der Veterinär. „Auch Tümmler, Delfine, Greifvögel, Flamingos, Pinguine, Nashörner und Wölfe sollten nicht von Zirkussen mitgeführt werden.“

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8 Kommentare

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  • 6G
    65630 (Profil gelöscht)
  • Keine Frage: Tortur!!! Diese Dompteure gehören öffentlich ausgepeitscht! Erbärmliche Kreaturen behaupten Tiere gehören zum Zirkus, richtig, aber eben nur im alten Rom! Immer wenn Dummschwätzer wie "Sky du Mont" solchen Dreck erzählen, möchte ich diese erbärmlichen Kreaturen liebend gern einmal mit dieser römischen Zirkuskultur bekannt machen!

  • Ja, das Argument, dass die Zirkusse dann zumachen könnten...naja, das wäre dann halt so. Man muss ja mal die Reihenfolge der Argumente beachten. Beim Arbeiten mit Tieren muss an oberster Stelle das Wohlbefinden der Tiere stehen, dann kommt lange Zeit nichts und irgendwann kommt dann mal was wie Arbeitsplätze sichern, Kultur erhalten, usw. Das sind aber so etwas von schwachen Argumenten, dass man sie eigentlich auch gleich beiseite lassen könnte.

     

    Vor allem ist es ja auch so, dass Zirkusse sich wohl immer sehr am Rande der Existenz befinden und sich kaum sicher sein können, ob sie es finanziell ins nächste Jahr schaffen. Und unter solchen Bedingungen sollen Tiere gehalten werden (die dann auch noch in Fußgängerzonen zum Spenden eintreiben herhalten müssen)? Nein Danke! Ich war noch nie in einem Zirkus und werde auch nie einen besuchen. Der einzige Ort an dem ich Wildtiere sehen möchte ist in der Natur, da wo sie hingehören.

     

    Und wenn Zirkusse dann nicht mehr nur mit ihren Artisten und Clowns überzeugen können, dann ist dem halt so. Jeder Beruf hat seine Zeit und diese Zeit geht irgendwann vorbei.

  • Artgerecht ist nur die Freiheit!

  • Also mir gehen diese Peta-Aktivisten dermaßen auf dem Senkel, da gibts keine Worte für. ABER... dass es den Tiere in diesen kleinen Transportkäfigen gut geht, das bezweifle ich doch ganz stark.

    Im Zoo haben die wenigstens Auslauf und werden annähernd artgerecht gehalten, aber im Zirkus, absolute Fehlanzeige.

    Einen Tierzirkus würde ich aus solchen Gründen wohl auch nicht besuchen.