Debatte um Vorratsdatenspeicherung: Die Union drängelt
Der Druck auf die Bundesjustizministerin wächst. Die Union legte nach - und bekommt Hilfe von der SPD. Die wirft der Koalition Untätigkeit bei der Vorratsdatenspeicherung vor.
BERLIN rtr | Die Union hat im Streit um die Vorratsdatenspeicherung den Druck auf Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) deutlich erhöht. "Die Justizministerin ist gefordert, einen EU-konformen Entwurf vorzulegen, der eine anlasslose Speicherung von Daten vorsieht," mahnte die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt am Dienstag in Berlin.
Die EU-Kommission habe klar gemacht, dass die Vorstellungen der Ministerin nicht den Vorgaben der EU-Richtlinie entsprächen. "Wir werden nicht lockerlassen, die Bundesjustizministerin zu ermahnen, dass sie hier ihrer Aufgabe als zuständige Ministerin auch gerecht wird." Der FDP warf sie zugleich vor, parteipolitische Ideologie über den Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen zu stellen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im vorigen Jahr die generelle Speicherung von Kommunikationsdaten gekippt. Eine Neuregelung steht bisher aus, weil sich Union und FDP nicht einigen können. Deutschland ist daher bereits in Verzug bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie zu dem Thema.
Schützenhilfe für die Union auch aus der SPD
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Peter Altmaier, verlangte von den Liberalen ein Einlenken. "Es wäre ein einmaliger Vorgang, wenn Deutschland nicht imstande wäre, eine solche EU-Richtlinie, die mit unserer Stimme zustande gekommen ist, umzusetzen", sagte Altmaier. Zugleich wies er dem Koalitionspartner die Verantwortung für die Verzögerung zu. "Ich vertraue darauf, dass die FDP eine freiheits- und rechtsstaatsliebende Partei ist." Es sei möglich einen "Korridor" zu finden, der sowohl die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts als auch der EU-Kommission voll berücksichtige.
Bereits am Montag hatten führende Christdemokraten die FDP gedrängt, für eine Lösung bei der umstrittenen Speicherung von Kommunikationsdaten zu sorgen. Die Neuregelung der vom Bundesverfassungsgericht gekippten generellen Voratsdatenspeicherung Vorratsdatenspeicherung ist seit Monaten ein Streitthema zwischen Union und FDP. CDU und CSU fordern, dass die Kommunikationsdaten aller Bürger auch ohne konkreten Verdacht für eine bestimmte Frist von den Telefon- und Internet-Anbietern gespeichert werden. Leutheusser-Schnarrenberger will dagegen die Kommunikationsdaten nur in konkreten Verdachtsfällen nachträglich einfrieren lassen.
Auch aus der SPD hatte die Union Schützenhilfe bekommen. Deren Innenpolitiker stellten sich am Montag gegen die Position von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Handy- und Internetdaten zur Verbrechensbekämpfung nur bei konkretem Verdacht nachträglich einfrieren zu lassen. "In der Sache ist das völlig untauglich", sagte Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner nach Beratungen der SPD-Innenpolitiker von Bund und Ländern in Berlin. "Man kann nur einfrieren, was man hat." Wie die Union und die EU plädieren die SPD-Innenpolitiker für eine Speicherung über mehrere Monate unter strengen Auflagen. Sie halten laut Stegner drei bis vier Monate für ausreichend, die Union spricht von sechs Monaten.
Es spreche sehr viel dafür, dass die Speicherung solcher Daten auf Vorrat auch ohne konkreten Verdacht zur Bekämpfung schwerster Straftaten erforderlich sei, sagte Stegner. Für diese Linie rechnet er auch auf dem SPD-Parteitag im Dezember mit einer Mehrheit, wenngleich Netzpolitiker und Juristen der Sozialdemokraten Bedenken haben. Die Innenpolitiker der SPD wollen dies aber mit Auflagen versehen. Ein Zugriff auf die gespeicherten Daten dürfe nur mit richterlicher Anordnung und nur bei schwersten Straftaten erlaubt werden, sagte Stegner. Es müsse genau festgelegt werden, welche Daten gespeichert würden: "Das Gesetz selbst muss extrem präzise diese Dinge regeln."
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