Debatte um Volksentscheide: Vom richtigen Zeitpunkt
Weil der Termin eines Volksentscheids für dessen Erfolg ausschlaggebend sein kann, wollen Grüne, Linke und Piraten Entscheide verbindlich auf Wahltage legen.
Volksentscheide sollten in Zukunft zusammen mit anderen Wahlen abgehalten werden, fordert die Opposition im Abgeordnetenhaus. Grüne, Linke und Piraten streben deshalb eine Änderung des Abstimmungsgesetzes an. Derzeit steht dort nur, dass die Frist für einen Volksentscheid um vier Monate verlängert werden kann, wenn dann eine Wahl stattfindet.
Aus diesem vagen „kann“ müsste nach Meinung der Opposition ein „soll“ werden. „Wir wollen, dass der Senat verpflichtet wird, Volksentscheide auf Wahltage zu legen –außer die Initiatoren stimmen einem anderen Termin zu“, so Dirk Behrendt, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, zur taz. Linkspartei und Piraten teilen diese Einschätzung.
Der Termin eines Volksentscheids kann ausschlaggebend sein für den Erfolg einer Initiative. Denn der hängt auch von der Beteiligung ab: 25 Prozent der Wahlberechtigten müssen einem Gesetzentwurf zustimmen, damit er gilt. Wenn am Tag der Abstimmung auch eine Wahl stattfindet, gehen voraussichtlich mehr Leute hin.
Zuletzt war der Senat beim Volksentscheid des Energietischs heftig kritisiert worden, weil er die Abstimmung auf einen Termin sechs Wochen nach der Bundestagswahl gelegt hatte. Aus „organisatorischen Gründen“, wie es hieß. Nur so sei die Vorbereitung und Durchführung von beidem zu gewährleisten gewesen. Der Energietisch scheiterte knapp am Quorum: 24,1 Prozent der Wahlberechtigten stimmten mit Ja.
Die Piraten haben bereits im vergangenen Jahr einen Antrag zur Zusammenlegung der Termine ins Parlament eingebracht, der derzeit in den Ausschüssen beraten wird. Dort begründen sie die von ihnen geforderte Gesetzesänderung mit dem zu großen Zeitaufwand, der den Bürgern bei zwei getrennten Abstimmungen entsteht, sowie mit den höheren Kosten.
Ein Extra-Termin kostet
Laut Innenverwaltung muss man für einen gesondert abgehaltenen Entscheid mit 200.000 Euro rechnen. Die Piraten schätzen die Summe deutlich höher. Fraktionschef Alexander Spies sagt: „Man muss auch die Arbeitszeit der Landesbediensteten einrechnen. Dann kommt man auf über eine Million Euro.“
Die Regierungsfraktion SPD kann dem Vorstoß der Opposition nicht viel abgewinnen. „Die Initiatoren wollen das, weil sie glauben, damit mehr Erfolg zu haben“, sagt der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Sven Kohlmeier. Er fordert einen „Volksabstimmungsfrieden“. Das Abstimmungsgesetz sei noch so jung, dass man es sich erst mal in der Praxis bewähren lassen sollte. „Nach längerer Zeit kann man dann über Nachbesserungen reden.“
Auch dann wäre Kohlmeier nur unter einer Bedingung gesprächsbereit: „Wenn man eine solche Änderung des Abstimmungsgesetzes haben möchte, sollte der Senat auch für seine Position werben können.“ Das ist bislang nicht erlaubt.
Auch in der für Abstimmungen zuständigen Innenverwaltung ist man von dem Vorschlag nicht begeistert. Zwar sei es sei auf jeden Fall wünschenswert, wenn ein Volksentscheid an einem Wahltag stattfinde. „Im letzten Jahr hat sich aber gezeigt, dass es aus zwingenden organisatorischen Gründen notwendig sein kann, einen Volksentscheid getrennt von einer Wahl durchzuführen“, so ein Sprecher.
Dafür sieht die Behörde unter Frank Henkel (CDU) an anderer Stelle Änderungsbedarf: Die Debatte über gültige und ungültige Unterschriften für das Tempelhofer Feld habe gezeigt, dass die Vorschriften hier nicht eindeutig seien, so sein Sprecher. Manche Bezirksämter hatten Unterschriften auch anerkannt, wenn etwa das Geburtsdatum fehlte. „Wir werden daher in der Koalition über eine Änderung des Abstimmungsgesetzes reden.“
Opposition: „Das Gesetz ist klar“
Das wiederum halten Vertreter der Opposition für Unsinn. „Das Gesetz ist meines Erachtens klar. Die Verwaltung muss sich lediglich darauf verständigen, wie sie das einheitlich handhabt“, sagt Klaus Lederer, rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei.
Für den Volksentscheid über das Tempelhofer Feld kommt jede Änderung des Abstimmungsgesetzes zu spät: Entweder am kommenden oder am darauffolgenden Dienstag will der Senat festlegen, ob der Entscheid parallel zur Europawahl am 25. Mai stattfindet – oder doch lieber an einem anderen Tag.
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